Entscheidung fürs Klassenzimmer
Freiburg, 04.07.2019
Soll ich, oder soll ich nicht? Und was passiert, wenn ich mich dafür entscheide? Oder dagegen? Zweifel gehören zum Menschsein und kosten oft Zeit und Nerven. Manchmal kann es aber auch ganz schnell gehen: Anderthalb Stunden am Rechner reichen schon aus, um sich durch das neue Reflexionstool des Freiburg Advanced Center of Education (FACE) zu klicken. Entwickelt wurde das Programm für Studierende, die ein Lehramtsstudium mit dem Ziel Master of Education in Erwägung ziehen, also Lehrerin oder Lehrer werden wollen. Seit März 2019 ist OSEL, so der Name des am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Freiburg entwickelten Tools, online verfügbar. OSEL steht für „Online-Selbstreflexion Lehramtsstudium und Lehrer*innenberuf“.
Kompetent im Klassenzimmer: Ab dem Wintersemester 2019/20 wird das Tool OSEL für alle Studierenden des Master of Education verpflichtend. Foto: Klaus Polkowski
Das Tool bietet Informationen zum Lehramtsstudium mit dem Abschluss Master of Education, wie es an der Universität und der Pädagogischen Hochschule Freiburg angeboten wird – inklusive Videointerviews und einem Fragenkatalog. Dieser soll Studierende darin unterstützen, genauer in sich hineinzuhorchen: Warum will ich überhaupt Kinder und Jugendliche unterrichten? Welche Lernstrategien wende ich im Studium an? Fühle ich mich den Herausforderungen des Studiums gewachsen? Ab dem Wintersemester 2019/20 ist das Tool für alle verpflichtend, die sich für den Lehramtsmaster bewerben. Das vorgeschaltete Bachelorstudium ist zwar lehramtsbezogen, enthält jedoch wenig bildungswissenschaftliche Inhalte, die für den Lehrerberuf auch wichtig sind.
Ankreuzen und Feedback erhalten
OSEL sei kein Tauglichkeitstest, darauf legt Jörg Wittwer, Professor für Empirische Lehr- und Lernforschung am Institut für Erziehungswissenschaft, großen Wert. Es gehe dabei nicht um Gut oder Schlecht. „Die Vorstellung, dass eine Lehrkraft eine bestimmte Lehrerpersönlichkeit mitbringen muss, ist veraltet“, sagt Wittwer. „Was es heute stattdessen braucht, sind professionelle Kompetenzen, und diese lassen sich erlernen.“ Ausgehend von der Frage, was für ein erfolgreiches Studium wichtig sei, habe man das Tool in Zusammenarbeit mit dem Rechenzentrum und der Stabsstelle für Lehrerbildung der Universität entwickelt, erzählt Wittwer. Gefördert wurde das auf drei Jahre angelegte Projekt vom Land Baden-Württemberg in der Förderlinie „Innovative Strukturen in der Lehrerbildung stärken“.
„Studieren im Lehramt“ und „Kompetenzen im Lehramt“ heißen die beiden größten Blöcke des Tools. Um die Wirksamkeit des eigenen Handelns, die Relevanz von Studieninhalten sowie um Motivation und Lernstrategien geht es im ersten Block. „Das, was ich lerne, prüfe ich auch kritisch“, heißt eine Lerntätigkeit, die unter „kognitive Strategien“ gelistet ist. Hmm, kurzes Innehalten. Wie war das im vergangenen Semester? So viel kritisches Nachhaken stand eigentlich nicht auf dem Programm. Also wird „selten“ angeklickt. Sind alle Fragen beantwortet, geht es zum Feedback: Dort erfährt man, wie man im Vergleich zu anderen Studierenden oder bereits berufstätigen Lehrkräften abgeschnitten hat, ob man zum Beispiel seltener oder häufiger als sie von kognitiven Strategien Gebrauch macht. „OSEL basiert auf 250 Interviews, die wir mit Studierenden geführt haben. Sie sind die Masse, mit der sich die jeweilige Person vergleicht“, erklärt Wittwer.
Letzter Schliff
OSEL bleibt aber nicht beim Vergleich. Das Tool erklärt auch, warum es zum Beispiel beim Lernen hilft, methodisch in die Tiefe zu bohren, also Lerninhalte zu gliedern oder kritisch zu hinterfragen. Weiter versorgt es Studierende mit brauchbaren Tipps, die in der Regel am Ende jeder Feedbackseite auftauchen. Manche Links führen sogar direkt auf die Websites von Beratungsstellen oder Methodentrainings der Universität: „Sollten Sie Interesse an der Verbesserung Ihrer kognitiven Lernstrategien haben, bietet die Universität Freiburg ein spezielles Lernstrategie-Training an“, steht etwa auf der Feedbackseite des Bereichs Lernstrategien. „Uns war es wichtig, den Studierenden auch konkrete Hilfen anzubieten“, sagt der Erziehungswissenschaftler.
Jörg Wittwers Team hat seine Arbeit noch nicht ganz abgeschlossen: Demnächst sollen noch 28 Kurzvideos mit Professorinnen und Professoren verschiedener Fachbereiche eingebunden werden. Außerdem wird es noch eine Evaluationsstudie geben. Diese werde OSEL den letzten Schliff geben, bevor das neue Semester startet.
Stephanie Streif
Online-Selbstreflexion Lehramtsstudium und Lehrer*innenberuf