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Die unterschätzte Volkskrankheit

Seit zehn Jahren können sich Zahnärzte in einem Master- Online Studiengang der Universität Freiburg zum Thema Parodontitis fortbilden

Freiburg, 21.07.2017

Die unterschätzte Volkskrankheit

Foto: Baschi Bender

Parodontitis, eine Entzündung des Zahnfleischs und des zahntragenden Knochens, ist eine Volkskrankheit: Nahezu jeder zweite Mensch mittleren Alters ist hierzulande von ihr betroffen. Entsprechend viele Fälle müssen Zahnärztinnen und Zahnärzte in der täglichen Praxis behandeln. Wertvolles Know-how können sie an der Universität Freiburg erwerben: Seit zehn Jahren gibt es dort den berufsbegleitenden Master-Online-Studiengang „Parodontologie und Implantattherapie". Studiengangleiterin Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger vom Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg erklärt im Gespräch mit Nicolas Scherger, was dieses Angebot umfasst – und wie es möglich ist, der Krankheit vorzubeugen.


Petra Ratka-Krüger hat mit „Parodontologie und Implantattherapie" vor zehn Jahren einen der ersten Master-Online-Studiengänge der Universität Freiburg gestartet.
Foto: Klaus Polkowski

Frau Ratka-Krüger, wie gefährlich ist Parodontitis?

Petra Ratka-Krüger: Parodontitis wirkt sich zunächst lokal im Mund aus: Es handelt sich um eine Entzündung des Zahnfleischs, die zum Knochenabbau und zur Lockerung des Zahns bis hin zum Zahnausfall führen kann. Außerdem belegen wissenschaftliche Studien, dass die schwere Parodontitis auch Auswirkungen auf die Allgemeingesundheit haben kann. Besonders gut erforscht ist das Verhältnis zwischen Parodontitis und Diabetes.

Wie erkennen Patienten frühzeitig, dass sie betroffen sind?

Das erste Frühsymptom ist eine Blutung beim Zähneputzen. Durch die Entzündung kommt es zu einer verstärkten Durchblutung des Gewebes. Das Zahnfleisch schwillt an und verfärbt sich dunkelrot. Mundgeruch, Schwellungen und Eiteraustritt können hinzukommen, und die Zähne können sich in ihrer Stellung verändern, sodass plötzlich irgendwo eine Lücke ist, wo vorher keine war.

Wie lässt sich der Erkrankung vorbeugen?

Die primäre Ursache einer Parodontitis ist bakterieller Zahnbelag. Deshalb ist vor allem eine gute Mundhygiene wichtig. Es gibt aber auch Patienten, die bei einer schlechten Mundhygiene nur eine leichte Entzündung haben, und andere, bei denen es umgekehrt ist. Das liegt daran, dass weitere Risikofaktoren hinzukommen, die darüber entscheiden, ob eine Parodontitis entsteht oder nicht: die genetische Veranlagung, andere allgemeine Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes und der Lebensstil der Patienten. Der größte beeinflussbare Risikofaktor ist hierbei das Rauchen. Außerdem hilft es, sich ausgewogen zu ernähren, Sport zu treiben und Wege zu finden, um Stress zu reduzieren. Wichtig ist, regelmäßig und frühzeitig zum Zahnarzt zu gehen, damit er eine parodontale Screening-Untersuchung – kurz PSI – vornehmen kann und, sofern notwendig, frühzeitig behandelt.

Stichwort Zahnarzt: Ist der Weiterbildungsbedarf auf diesem Gebiet besonders groß?

Jeder Zahnarzt erkennt nach ein, zwei Jahren in der Praxis, dass Parodontologie einen großen Teil der täglichen Behandlung ausmacht. Der Anteil der Lehre, den das Studium der Zahnmedizin für dieses Gebiet bislang vorsieht, ist aber vergleichsweise gering. Dadurch haben wir einen erhöhten Bedarf an Fort- und Weiterbildung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unseres Masterstudiengangs kommen aus unterschiedlichen Gründen zu uns: Einige wollen beispielsweise ihr Wissen vertiefen und einen Schwerpunkt in ihrer Praxis aufbauen, andere möchten sich chirurgisch weiterbilden – denn in der grundständigen Lehre wird wenig operiert. Auch das deckt unser Angebot ab.


Der Bedarf an Fort- und Weiterbildung ist bei Zahnärzten auf dem Gebiet der Parodontologie groß – im grundständigen Studium nimmt es einen vergleichsweise geringen Raum ein.
Foto: Baschi Bender

Wie ist all das berufsbegleitend möglich?

Einen zusätzlichen Bonus bietet der Studiengang durch die Form des Blended Learning, was bedeutet, dass eine didaktisch sinnvolle Verknüpfung von traditionellen Präsenzveranstaltungen und modernen Formen des E-Learning angestrebt wird. So werden theoretische Grundlagen online vermittelt, die Studierenden können sich die Inhalte zeitlich flexibel zum Beispiel von zu Hause aus aneignen. Praktische Kompetenzen werden in Hands-on-Kursen an der Universitätszahnklinik im Rahmen von Präsenzveranstaltungen geschult. Aus meiner Sicht ist diese zukunftsweisende Lernform für unser Fach genau das Richtige, weil sie ein Höchstmaß an zeitlicher und räumlicher Flexibilität bietet. Dies ist in der Weiterbildung natürlich ein wichtiger Faktor.

Wie sind neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Parodontologie im vergangenen Jahrzehnt hervorgebracht hat, in den Studiengang eingeflossen?

Wir aktualisieren die Lehrinhalte regelmäßig. Ein Schwerpunkt unseres Studiengangs ist die Umsetzung eines Prophylaxe- und Behandlungskonzepts für die Praxis. 2016 haben wir das gesamte Curriculum umgestellt und zwei neue Module aufgebaut. Eines widmet sich der Implantologie und Periimplantitis, also der Entzündung am Implantat. Das andere befasst sich mit dem Thema „Ästhetik und Funktion". Ich mache zudem regelmäßig Gruppensprechstunden, um Hinweise von den Teilnehmern zu bekommen, was ihnen gut oder weniger gut gefällt. Nur so kommt man weiter.


Das Team des Master-Online-Studiengangs „Parodontologie und Implantattherapie" entwickelt das Weiterbildungsangebot stetig weiter.
Foto: Klaus Polkowski

Wie könnte sich das Weiterbildungsangebot künftig entwickeln?

Ich halte eine hohe Flexibilität für unsere Teilnehmer für wichtig: Wir bieten jetzt auch einzelne Module an, für die unsere Teilnehmer ein Zertifikat erhalten, und wer möchte, kann seinen Masterabschluss Schritt für Schritt im Bausteinsystem erwerben. Zudem haben wir alle Lehrinhalte auf Englisch übersetzt. Wir wollen nun zunächst den deutschen Studiengang mit seinen beiden neuen Modulen weiter etablieren und ihn dann voraussichtlich 2018 internationalisieren. Bereits jetzt liegen einige Anfragen aus dem Ausland vor.

Haben auch Studierende der Zahnmedizin etwas davon?

Wir haben vor ein paar Jahren von den Studierenden gehört, dass sie gerne mehr Fälle aus der Praxis sehen würden. In unserem Masterstudiengang wiederum schreibt jeder Teilnehmer acht Fallberichte. Einige davon haben wir nun zu interaktiven Übungen für Studierende aufgearbeitet: Ein Patient stellt sich vor und berichtet von seinen Beschwerden, man sieht ein klinisches Bild, und die Studierenden können über die Befundaufnahme und Diagnostik zur Therapie kommen. Für diesen Ansatz haben wir den Lehrentwicklungspreis der Universität Freiburg erhalten. Derzeit erarbeiten wir ein interaktives Tool über motivierende Gesprächsführung, bei dem die Studierenden erleben, wie Patienten auf verschiedene Kommunikationswege reagieren. Wir können also das Know-how aus dem Weiterbildungsstudiengang in die grundständige Lehre bringen und dadurch E-Learning-Angebote schaffen, die wir sonst nie hätten entwickeln können.

www.masterparo.de

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Privatdozent Dr. Eberhard Frisch forscht und lehrt seit drei Jahren am Universitätsklinikum Freiburg, ist Dozent im Online-Masterstudiengang Parodontologie und Implantattherapie – und er war Mitglied des ersten Examensjahrgangs, der von 2007 bis 2010 an dem Weiterbildungsangebot teilgenommen hat.

„Das Studium war insofern überraschend, aber auch sehr effektiv, weil es die Möglichkeit bietet, sich den Stoff berufsbegleitend online zu erarbeiten. Ich war skeptisch, ob es gelingen würde, das zeitlich zu koordinieren und die Lerntechnik darauf umzustellen, aber es hat erstaunlich gut funktioniert. Mit diesem Ansatz kann man trotz einer erheblichen beruflichen Belastung ein relativ aufwendiges wissenschaftliches Studium absolvieren. Ich habe schon vorher auf dem  Gebiet der Parodontologie gearbeitet, habe aber im Studium eine viel breitere und tiefer gehende Wissensbasis erworben. Wir haben auch das Rüstzeug bekommen, um Fragen, die sich in der Praxis stellen, über eine schnelle und präzise Recherche auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand zu klären. Außerdem empfinden es viele Studierende als großen Gewinn, dass sich der Jahrgang alle zwei Wochen abends online in einem virtuellen Klassenraum trifft, um Behandlungsfälle vorzustellen und sich in diesem vertrauten,

Eberhard Frisch wurde im Mai 2017 an der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg in Zahnmedizin habilitiert.
Foto: Klaus Polkowski