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Wissenschaft und Anwendung

Das Forschungsprojekt LoKlim entwickelt in enger Kooperation mit baden-württembergischen Kommunen Strategien für die Anpassung an den Klimawandel

Freiburg, 30.06.2020

Der Klimawandel betrifft Kommunen und Landkreise in ganz Baden-Württemberg. Millionenschwere Schäden durch Starkregenereignisse, Hochwasser und Dürren zeugen ebenso davon wie die Zunahme an Todesfällen aufgrund von Hitze. Die meisten kleinen und mittleren Kommunen jedoch verfügen nicht über die notwendigen Kapazitäten, um den Auswirkungen des Klimawandels strategisch zu begegnen. Ein Team am Institut für Umweltsozialwissenschaften und Geographie der Universität Freiburg hat daher gemeinsam mit sechs Pilotpartnern ein Projekt gestartet, das diesen helfen soll, die erforderlichen Kompetenzen zu entwickeln.


Die Dreisam im Sommer 2018: Trockenheit ist nur ein Beispiel für die Auswirkungen des Klimawandels, die sich in Baden-Württemberg zeigen. Foto: Nils Riach

Transdisziplinarität tut not, sind Prof. Dr. Hartmut Fünfgeld und Stefanie Lorenz überzeugt. Nicht grundlos sind die beiden stolz auf die enge Verflechtung ihres Forschungsprojekts „Lokale Kompetenzentwicklung für Klimaanpassung in kleinen und mittleren Kommunen und Landkreisen“ (LoKlim) mit der Verwaltung vor Ort. Konsequent haben sie das Bottom-up-Prinzip umgesetzt: Ihrem Förderantrag bei der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) ging ein Workshop voraus, bei dem sie den Handlungsbedarf der eingeladenen Kommunen erarbeitet hatten und in einer Skizze konkret formulieren konnten. Sie war die Grundlage für das zweistufige Bewerbungsverfahren bei der 2008 vom Umweltbundesamt gegründeten Initiative DAS. Als weiterer Pluspunkt erwies sich, dass Fünfgeld und Lorenz so bereits Partner hatten, mit denen sie in das Projekt starten konnten.

Erkenntnisse mit Bedürfnissen abgleichen

Mittlerweile sind es sechs Piloten: die Städte Böblingen, Bad Krozingen, Kehl und die Landkreise Böblingen, Bodensee und Enz. Während der dreijährigen Laufzeit des Projekts werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse mit den Bedürfnissen der Kommunen abgeglichen und modifiziert. Es geht einfach um zu viel, als dass Wissenschaft und Kommunalpolitik es sich leisten könnten, aneinander vorbeizureden.

Fünfgeld, Inhaber der Professur für Geographie des Globalen Wandels an der Universität Freiburg, forscht über die Auswirkungen des Klimawandels und über Klimaanpassung. Mehrere Jahre hat er in Australien zum Thema Nachhaltigkeit und Stadtplanung gearbeitet. Lorenz hat ebenfalls Geographie, aber auch Politikwissenschaften studiert. Sie war Klimaschutzmanagerin in Lörrach, berät Kommunen in Sachen Klimaschutz und Klimaanpassung und kennt sich daher mit Verwaltungsstrukturen aus. „Wir vereinen Forschungspraxis und Anwendungsorientierung“, sagt sie. „Klimaanpassung ist ein ganz neues Thema, da ist es wichtig, aktuelle Forschungsergebnisse zu berücksichtigen. Gleichzeitig braucht es den engen Kontakt zu den Partnern aus der Praxis.“

Auswirkungen der Auswirkungen bedenken

Klimaanpassung klingt, als sei es für den Klimaschutz längst zu spät. „Als Industrienation, die wir stark zum Klimawandel beitragen, hat Klimaschutz oberste Priorität. Aber es ist auch wichtig, die Auswirkungen nicht aus dem Blick zu verlieren und die Anpassung mitzudenken, weil das eine das andere bedingt“, sagt Lorenz. Und Fünfgeld stellt klar: Die Kommunen haben nach Trockensommern wie 2018 und 2019 oder Starkregenereignissen wie in den Jahren 2015 und 2016 größere Möglichkeiten, politisch tätig zu werden, weil die Schäden offensichtlich sind. Klimaanpassung geht allerdings über die primären Risiken hinaus. Die sekundären Risiken – also die Auswirkungen der Auswirkungen, etwa Versorgungsengpässe und fehlende Dienstleistungen aufgrund von Temperaturerhöhungen und Hitzestress – müssen auch bedacht werden. Viele von ihnen sind noch nicht einmal bekannt.

Für Kommunen ist dies auch deshalb eine Herausforderung, weil die Klimaanpassung – im Gegensatz zum Klimaschutz – eine ressortübergreifende Aufgabe ist und unterschiedliche Abteilungen in der Verwaltung betrifft. Daher brauche man eine integrierende Perspektive, die von kleinen Organisationseinheiten wiederum schwer zu bewältigen sei, so Fünfgeld. In Bad Krozingen beispielsweise werden sich Fünfgeld und Lorenz mit Stephanie von Detten, der der Zuständigen für Stadtplanung und Klimaschutz, besprechen und mit ihr weitere Akteurinnen und Akteure bestimmen, die in den Prozess eingebunden werden.

Piloten sollen zu Multiplikatoren werden

Mit jedem der Piloten sind vier Workshops vorgesehen, die jeweils vor Ort stattfinden. Im ersten Workshop werden die wissenschaftlichen Ansätze und Instrumente, die aus Fallstudien aus aller Welt entwickelt werden, gemeinsam empirisch überprüft und dann weiterentwickelt. Verschiedene Prozessmodelle, Entscheidungs- und Planungswege sollen auf diese Weise gefunden werden. Eine derartige vorausschauende Anpassung an die Zukunft könne auch Kosten senken, gibt Fünfgeld zu bedenken – etwa beim Bau von Straßen oder bei der Wasser- und Entsorgungsinfrastruktur.

Die Auswirkungen des Klimawandels sind regional unterschiedlich und hängen jeweils von der Topografie vor Ort ab ‒ so wird für den Oberrheingraben Hitzebelastung zum Problem werden, während der Hochschwarzwald verstärkt von Trockenheit betroffen sein wird. Das Ziel von LoKlim als Pilotprojekt ist es aber dennoch, Ansätze der Anpassungsplanung für unterschiedliche Kommunen Baden-Württembergs zu entwickeln. So soll etwa eine interaktive Karte generiert werden, die zeigt, welche Kommunen auf welche Weise vom Klimawandel betroffen sind. Die Piloten könnten hier zu Multiplikatoren werden. Und, so sagt Lorenz: „Baden-Württemberg ist nicht das einzige Bundesland, das sich mit der Klimaanpassung beschäftigt. Wir hoffen, unseren Ansatz zukünftig auf andere Bundesländer zu übertragen.“

Annette Hoffmann