Artikelaktionen

Sie sind hier: Startseite Online-Magazin forschen & entdecken Natur von Menschenhand

Natur von Menschenhand

Eingriffe in den Wald genießen in der Gesellschaft kein gutes Ansehen – zwei Forschende plädieren für mehr Verständnis

Freiburg, 23.01.2018

Natur von Menschenhand

Foto: AK-DigiArt/Fotolia

Sie werden mehrere Hundert Jahre alt, ihre Kronen ragen in den Himmel, ihre Wurzeln graben sich tief in die Erde: Bäume ziehen Menschen in ihren Bann. Da ist es für manche schwer nachvollziehbar, dass Försterinnen und Förster Wälder aus ökologischen Gründen auslichten müssen. Wie lässt sich in der Gesellschaft mehr Akzeptanz für die Bewirtschaftung des Waldes schaffen, und wie sieht eine Kampagne aus, die das der Öffentlichkeit überzeugend vermittelt? Mit solchen Fragen befasst sich das Freiburger Winterkolloquium „Forst und Holz“ am 25. und 26. Januar 2018. Sonja Seidel hat sich mit Prof. Dr. Daniela Kleinschmit und Prof. Dr. Ulrich Schraml, die die Tagung mitorganisieren, unterhalten.


Foto: AK-DigiArt/Fotolia

Frau Kleinschmit, warum ist es wichtig, dass die Bewirtschaftung des Waldes mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rückt?

Daniela Kleinschmit: Wir verwenden in Deutschland viel Holz – irgendwo muss es also herkommen. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass die wirtschaftliche Nutzung ein wichtiger Teil des Waldes ist und man dort nicht nur schön spazieren gehen kann. Natürlich ist die Nachhaltigkeit ein wichtiger Aspekt dabei, damit wir mit gutem Gewissen beispielsweise Parkettboden legen oder einen Holzschrank kaufen können. Zum Glück können wir davon ausgehen, dass Holz in Deutschland ressourcenschonend produziert wird.

Naturschutz, Erholung, wirtschaftliche Nutzung – die Menschen verbinden viele verschiedene Ansprüche mit dem Wald.

Ulrich Schraml: Genau. Auch Kulturgeschichtlich ist das Bild, das Menschen vom Wald haben, interessant. Er stand schon früh für einen Lebensbereich, der aus dem Alltäglichen ausgelagert ist. Viele Märchen handeln beispielsweise von Räubern oder Hexen, die im Wald hausen. Der Mensch verortet dort also Dinge, die nicht in der Gesellschaft zuhause sind. Das gilt auch für die Gegenwart, man denke beispielsweise an das neue Konzept des Bestattungswalds. Gleichzeitig geht der Mensch in den Wald, wenn er sich erholen und die Stadt hinter sich lassen will. Bei diesen vielfältigen Aspekten können es sich manche nur schwer vorstellen, dass  andere Menschen Geld mit dem Forst verdienen und dort einen Rohstoff produzieren.


„Die Wälder, die wir kennen, sind menschengemacht“, sagt Ulrich Schraml. Foto: Jürgen Gocke

Welche Gefahr gibt es bei solch einem emotional aufgeladenen Thema?

Kleinschmit: Grundsätzlich ist eine Emotionalisierung erst einmal nicht schlecht – das sieht man auch am Beispiel Wald. Wenn ich den vermenschliche, kommt das in der Öffentlichkeit gut an, es lässt sich dann eine Beziehung zu ihm aufbauen. Aber aus wissenschaftlicher Sicht hätten wir das Verhältnis Mensch und Wald gerne neutraler und mit mehr Fakten unterlegt. Wiederum können wir das Thema dann nicht so gut vermitteln. Das ist also ein zweischneidiges Schwert. Von dem Kolloquium erhoffen wir uns also auch Antworten darauf, wie man beides miteinander in einer Kampagne verbinden kann.

Schraml: Man erreicht Menschen eben über Gefühle. Und es gibt kaum ein stärkeres Symbol als den Baum: Der berührt oft schon allein durch seine Größe und seine Mächtigkeit. Man denkt dabei auch sofort an Mythen über Himmel und Erde. Im Kopf der Menschen läuft also gleich ein Film ab, wenn sie einen Baum sehen. Das für die Kommunikation nicht zu nutzen, wäre blöd. Wenn sich Publikationen über den Wald aber den Anschein geben, wissenschaftlich zu sein und gleichzeitig viele Fakten nicht korrekt darstellen, sondern einen Brei aus Fantasie, Anekdote und wissenschaftlichem Befund rühren, habe ich damit ein Problem.

Wie wird sich die Bewirtschaftung in den nächsten Jahren entwickeln?

Kleinschmit: Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte man möglichst schnell möglichst viel Holz und hat deshalb vor allem Fichten gepflanzt. Derzeit sind es dagegen wieder mehr Laubbäume, beispielsweise Buchen. Es lässt sich also ein Wandel erkennen: Man kommt von dem früheren Gedanken des Wirtschaftswalds wieder hin zu einem diverseren Erscheinungsbild und macht sich mehr Gedanken über die nachhaltige Nutzung. Man muss sehen, ob sich mit den neuen Baumarten der Bedarf decken lässt, denn mit Holz lassen sich nun mal auch andere Stoffe ersetzen, die nicht so klimaneutral und erneuerbar wie Bäume sind.


Daniela Kleinschmit wünscht sich eine öffentliche Diskussion, die näher an den wissenschaftlichen Fakten ist. Foto: Jürgen Gocke

Mit welchen Fragen sollte sich die Öffentlichkeit mehr auseinandersetzen?

Schraml: Die Wälder, die wir kennen, sind menschengemacht. Es gibt dort nur so viele verschiedene Baumarten, weil sich die Leute irgendwann gedacht haben, ein schöner Erholungswald sollte bunt und strukturiert sein. Es lohnt sich, einmal darüber nachzudenken und den Eingriff des Menschen in den Wald nicht nur zu problematisieren.

 

Teilnahme am Winterkolloquium

Das 38. Winterkolloquium findet am 25. und 26. Januar 2018 im Paulussaal, Dreisamstraße 2, 79098 Freiburg statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Tagungsgebühr an der Tageskasse beträgt regulär 50 Euro, für Studierende 5 Euro.

Weitere Informationen