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Kenianische Wälder von Stress befreien

Landnutzung und Artenschutz stehen in armen Gebieten oft in Konflikt – eine Forschungsgruppe will Lösungen erarbeiten

Freiburg, 23.03.2018

Kenianische Wälder von Stress befreien

Foto: Christine Schmitt

In den letzten Jahrzehnten wurden in Kenia große Waldgebiete abgeholzt: Dadurch haben die Einheimischen Fläche für Landwirtschaft, Bau- und Feuerholz sowie Ressourcen zur Herstellung von Holzkohle gewonnen. Privatdozentin Dr. Christine Schmitt vom Institut für Naturschutz und Landschaftsökologie der Universität Freiburg erarbeitet Lösungen, um die dortige Natur besser zu schützen – und dabei die Interessen der Bevölkerung zu wahren.


Früher waren die Flüsse in der Savannenlandschaft Kitui von Wäldern gesäumt. Foto: Christine Schmitt

Der Arabuko-Sokoke-Wald im Osten Kenias ist eingezäunt. Das war ein Wunsch der einheimischen Bevölkerung. Denn in dem Küstenwald, einem der letzten weitgehend intakten in Ostafrika, leben Waldelefanten, die es sich gerne auf den umliegenden Maisfeldern und Cashewplantagen schmecken lassen. Für Paviane allerdings, die ebenfalls Lust auf diese Leckereien haben, ist der Zaun kein Hindernis. „Und er hilft leider auch nicht, wenn die Ranger, die den Wald bewachen sollen, gegen Bezahlung von Einheimischen ein Auge zudrücken, wenn sich einer Holz holt“, sagt Christine Schmitt. Die Freiburger Vegetationskundlerin begleitet das auf vier Jahre angelegte und vom Deutschen Akademischen Austauschdienst geförderte Projekt „Reconciling human livelihood needs and nature conservation“. Kernthema ist der Konflikt zwischen den Landnutzungsinteressen der lokalen Bevölkerung und dem Schutz des Waldes, um natürliche Lebensgrundlagen und Arten zu erhalten.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Freiburg und der Technischen Universität München widmen sich in Zusammenarbeit mit weiteren deutschen und afrikanischen Universitäten drei Waldgebieten: dem Arabuko-Sokoko-Küstenwald, den Galeriewäldern in der Savannenlandschaft Kitui und dem Bergregenwald in den Taita Hills. „Alle drei Regionen erleben einen großen Stress, der vor allem durch die Ansprüche, die die Bevölkerung hat, entsteht“, sagt Schmitt. Die Menschen sind arm und betreiben überwiegend Subsistenzlandwirtschaft. In Kitui, der Savannenlandschaft, gibt es saisonale Flüsse, die einst von Galeriewäldern gesäumt waren. Die Bevölkerungsdichte hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen, und der Wald wurde bis auf wenige kleine Flächen abgeholzt. So wurden Flächen für die Landwirtschaft geschaffen, das Holz konnte als Bau- und Feuerholz sowie zur Herstellung von Holzkohle genutzt werden. „Es gibt eigentlich ein kenianisches Gesetz, das 30 Meter links und rechts vom Fluss Landwirtschaft verbietet, doch da es sich um privates Land handelt, ist das nicht durchzusetzen“, berichtet Schmitt.

Zusammenarbeit mit Einheimischen

Statt auf Verbote setzen die Forschenden auf Aufklärung und Kooperation. In Workshops, Vorträgen und Vor-Ort-Begehungen arbeiten sie mit einheimischen Wissenschaftlern, Forstbehörden und Umweltschutzverbänden zusammen, erklären ökologische Zusammenhänge und bilden Studentinnen und Studenten aus. „Wir wollen die Wissenschaftler mit den Leuten aus der Praxis zusammenbringen, alle an einen Tisch setzen und für die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit sensibilisieren.“ Die Menschen sollen verstehen, wie wichtig Bäume sind – als Erosionsschutz, als Habitat für verschiedene Arten. Um ihnen das zu zeigen, schaut Schmitt sich die verbliebenen Bestände an und erstellt einen Überblick über die Vegetation.


Der Wald in den untersuchten Regionen wurde bis auf wenige kleine Flächen abgeholzt, unter anderem um Bauholz zu gewinnen. Foto: Christine Schmitt

Allein in Kitui fand sie über 70 einheimische Baumarten, und das, obwohl der Bestand schon stark dezimiert ist. Sie steht auch in Kontakt mit nationalen Forschungseinrichtungen, die Baumschulen haben – und vor allem exotische Arten großziehen und ausbringen. „Hier fehlt noch die Erfahrung mit einheimischen Arten. Die sind oft schwierig großzuziehen, sodass man lieber auf exotische Varianten wie Eukalyptus und Grevillea zurückgreift – die wachsen schnell und stellen kaum Ansprüche. Die Baumartenvielfalt im Gebiet geht dadurch nach und nach verloren“, erklärt die Vegetationskundlerin. Ein großes Problem ist auch der invasive Strauch Lantana camara, der entlang des Flusses viele Flächen überwuchert und die einheimischen Arten verdrängt.

Alternatives Einkommen aufzeigen

Um die noch bestehenden Baum- und Strauchbestände zu erhalten und vielleicht sogar eine Regeneration der Areale zu ermöglichen, braucht es jedoch nicht nur eine Menge Überzeugungsarbeit und Information. „Die Bevölkerung lebt sehr prekär“, sagt Schmitt. „Wenn wir wollen, dass die Menschen die Umwelt schützen, müssen wir ihnen auch alternative Einkommen aufzeigen.“ Wie genau das aussehen kann, überlegt das deutsche Team gerade gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen an den afrikanischen Partneruniversitäten. „Unser Ziel ist es, am Ende des Projekts konkrete Handlungsempfehlungen entwickelt zu haben, mit denen vor Ort etwas für den Artenschutz getan werden kann, und die auch der Bevölkerung zugutekommen“, sagt Schmitt. Ein Ansatz wird vermutlich sein, den Anteil an einheimischen Nutzbäumen in den drei untersuchten Gebieten zu erhöhen.


Exkursion zum eingezäunten Arabuko-Sokoke-Wald: Die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit kenianischen Studierenden ist wichtiger Teil des Projekts. Foto: Christine Schmitt

„Wir sind kein Entwicklungshilfeprojekt, wir wollen mit wissenschaftlicher Zusammenarbeit Anstöße geben“, betont Schmitt. Deshalb ist der studentische Austausch ein wichtiger Teil des Projekts. Die jungen Kenianerinnen und Kenianer schreiben Forschungsberichte, Master- oder Doktorarbeiten zum Thema, werden für Umweltkonflikte sensibilisiert und können ihr Fachwissen weitergeben. „Das ist ein langer Weg, Veränderungen von heute auf morgen wird es nicht geben. Aber wenn es uns gelingt, ein Bewusstsein für die Thematik zu schaffen, ist ein wichtiger erster Schritt getan.“

Bisher haben die Wissenschaftler Kitui und den Arabuko-Sokoke-Wald an der kenianischen Küste untersucht. 2018 widmet sich die Gruppe dem Bergregenwald in den Taita Hills. Zum Abschluss des Projekts soll es 2019 einen Workshop geben, bei dem die Beteiligten ihre Ergebnisse zusammentragen werden. Neben den deutschen und afrikanischen Wissenschaftlern werden auch Nichtregierungsorganisationen und kenianische Forstforschungseinrichtungen dabei sein – und hoffentlich gemeinsam neue Wege zum Artenschutz in den drei Gebieten entwickeln.

Claudia Füßler

Projekt „Reconciling human livelihood needs and nature conservation“