Grüner Wasserstoff
Freiburg, 02.06.2021
Der chemische Prozess, um Wasserstoff zu gewinnen, setzt Kohlenstoffdioxid frei. Genau das will Dr. Severin Vierrath vom Freiburger Institut für Mikrosystemtechnik vermeiden. Er erforscht grünen Wasserstoff als Energieträger von morgen. Gleich zwei seiner Projekte wurden in einem bundesweiten Ideenwettbewerb ausgezeichnet.
Severin Vierrath will vermeiden, dass beim Isolieren von Wasserstoff Kohlenstoffdioxid freigesetzt wird. Seine Forschung dreht sich daher um so genannten grünen Wasserstoff, der durch den Einsatz regenerativer Energien gewonnen wird. Foto: Klaus Polkowski
Das Bundeswirtschaftsministerium nennt Wasserstoff „einen Schlüssel zur Energiewende“, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) rief vor zwei Jahren die „Wasserstoffrepublik Deutschland“ aus. Unter diesem Titel startete damals ein Ideenwettbewerb, dessen erste Runde inzwischen abgeschlossen ist: Mit insgesamt 56 Millionen Euro werden 16 Projekte gefördert. Drei von ihnen hebt die Homepage des BMBF ausdrücklich und gesondert hervor. „Weil sie in besonderem Maße anschaulich machen, was Wasserstoff in Zukunft leisten kann“, erklärt Dr. Severin Vierrath vom Freiburger Institut für Mikrosystemtechnik.
Gleich zwei der drei Projekte stammen von Vierrath, der Gruppenleiter für Elektrochemische Energiesysteme ist. In beiden Fällen geht es Vierrath um angewandte Grundlagenforschung, die die Marktfähigkeit im Blick hat: „Bei einem unserer Projekte ist auch die Industrie beteiligt“, sagt er – und zwar mit einigem finanziellen Engagement. „Das machen Unternehmen nur, wenn sie definitiv Anwendungsmöglichkeiten sehen.“ Vierrath forscht seit 2012 an Wasserstoff. Gerade aus den Anfangsjahren kennt er auch noch eher skeptische Reaktionen seitens der Industrie. Daher freut er sich umso mehr darüber, dass das BMBF seine Projekte hervorgehoben hat. „Zusammen mit Asien und den USA sind wir bei der Wasserstoff-Forschung vorn mit dabei. Wir müssen dafür sorgen, dass das später bei den Marktanwendungen dieser Technologie auch noch so sein wird“, sagt Vierrath.
Isolieren mit regenerativen Energien
Es ist ein aufwändiger chemischer Prozess, um das Gas Wasserstoff zu isolieren. Dieser fand lange unter Einsatz fossiler Energieträger statt – wodurch Kohlenstoffdioxid (CO2) frei wird. „Genau das gilt es natürlich zu vermeiden“, so Vierrath, denn die CO2-Reduktion sei eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. Seine Forschung dreht sich daher um so genannten grünen Wasserstoff, der durch den Einsatz regenerativer Energien gewonnen wird. „Grob gesagt gibt es dabei im Moment zwei Verfahren“, erläutert Vierrath. „Eines ist sehr effizient, aber auch sehr kostenintensiv. Das andere günstiger, dafür jedoch weniger effektiv. Wir arbeiten daran, die Vorteile beider Verfahren miteinander zu verbinden.“
Die Elektrolyse, also die Zerlegung von Wasser in Wasser- und Sauerstoff, geschieht bislang mittels einer Membran, die mit Iridium beschichtet ist – ein seltenes und sehr teures Edelmetall aus der Platingruppe. Das von den Freiburger Forschern beforschte Verfahren unternimmt die Elektrolyse nun jedoch mit einer so genannten anionenleitender Membran (AEM), die ohne Iridium auskommt. Aufgrund dieses Prozesses könnten die Herstellungskosten von grünem Wasserstoff künftig deutlich sinken. „AEMready“ hat Vierrath das Forschungsprojekt genannt.
Langlebige Brennstoffzellen
Um den gewonnenen grünen Wasserstoff schließlich auch nutzen zu können, braucht es Brennstoffzellen. Diese nutzen den Wasserstoff zunächst zur Stromerzeugung, um zum Beispiel ein Elektrofahrzeug anzutreiben. Hier setzt „Coral HD“, das zweite Forschungsprojekt von Vierrath, an. In diesem entwickelt er Materialien für besonders langlebige Brennstoffzellen-Elektroden, die weit über 30.000 Betriebsstunden halten. Dafür arbeitet Vierrath unter anderem auch mit Prof. Anna Fischer vom Institut für Anorganische und Analytische Chemie und dem Freiburger Exzellenzcluster Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems (livMatS) zusammen. Sie ist Expertin für den Einsatz von Nanomaterialien und Katalysatoren bei der elektrochemischen Umwandlung und Speicherung von Energie.
Beide Projekte zeichnet aus, dass sie im Verbund mit anderen Instituten stattfinden, sagt Vierrath, „Coral HD ist sogar komplett ein Freiburger Cluster“. Daran beteiligt ist unter anderem das Freiburger Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme und das Hahn-Schickard Institut. Um den Austausch und den Zusammenhalt innerhalb des Verbundes zu stärken, hat Vierrath einen Jour fixe eingeführt, den er „Hydrogen Lunch“ nennt. „Unter Pandemie-Bedingungen sind das natürlich virtuelle Treffen, verbunden jeweils mit einem Impulsvortrag.“ Weil für die Vorträge niemand reisen muss, konnten als Redner auch internationale Expertinnen und Experten gewonnen werden.
Die Wasserstoff-Projekte kämen gut vorankommen, erklärt Vierrath. Die Anwendung der Brennstoffzellen sieht er etwa im Flug-, Schiff-, Bahn- und LKW-Verkehr. „Für den Individualverkehr allerdings sind sie zu teuer“. Dort aber, ist der Freiburger Forscher überzeugt, werde die Batterietechnologie in den nächsten Jahren solche gewaltigen Fortschritte machen, die man sich heute noch gar nicht vorstellen könne.
Mathias Heybrock