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Die Mischung macht’s

Freiburger Forschende untersuchen Wälder rund um den Globus und prüfen, welche Rolle die Artenvielfalt für deren Erhalt spielt

Freiburg, 14.10.2020

Spaziergängerinnen und Spaziergänger möchten sich erholen, Forstbetriebe Rohstoffe produzieren und Naturschützerinnen und Naturschützer die heimische Biodiversität bewahren: Die Ansprüche an den Wald sind vielfältig und zum Teil gegensätzlich. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen (UNR) stellt eine Artikelserie deren unterschiedliche Fachbereiche und Forschungsprojekte vor. Der fünfte Teil – Wald – beschäftigt sich mit der Frage, ob und wie sich die unterschiedlichen Ansprüche ausbalancieren lassen und welche Rolle die Gestaltung der Wälder dabei spielt.

Die Forschenden untersuchen unter anderem das Wachstum, die Durchwurzelung und Sterblichkeit von Bäumen. Foto: Julian Frey

Wie müssen Wälder aufgebaut sein, damit sie im Spannungsfeld vielfältiger und gegenläufiger Bedürfnisse ihre Ökosystemleistungen – dazu gehören etwa Holzproduktion oder Kohlenstoff- und Wasserspeicherung – nachhaltig erbringen können? Wie kann umsichtiger Waldbau negative Effekte des Klimawandels abmildern? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, arbeitet Prof. Dr. Jürgen Bauhus unter anderem mit Expertinnen und Experten für Bodenkunde, Fernerkundung sowie Ökologie zusammen und untersucht Wälder und Managementsysteme rund um den Globus – sei es der Freiburger Mooswald oder ein Gebiet in China.

Mit seinem 20-köpfigen Team ist der Forstwissenschaftler eng in die Aktivitäten der UNR-Fakultät eingebunden und regional wie international gut vernetzt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kooperieren etwa mit der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, engagieren sich mit Partnern aus Frankreich und der Schweiz im Netzwerk NFZ.forestnet und sind Teil interdisziplinärer Projekte im In- und Ausland. Gleichzeitig setzen sie vor Ort eigene Versuche um. Manchmal finden sie in den Wäldern der Stadt Freiburg statt, manchmal legt Bauhus dafür eigene Freilandversuchsflächen an.

Je mehr Arten, desto mehr Biomasse

So zum Beispiel im Jahr 2013, als unterschiedliche Arbeitsgruppen der Universität in der Nähe des Freiburger Flughafens gemeinsam knapp 20.000 Bäume auf einer Fläche von eineinhalb Hektar pflanzten. Das Ziel war, das Biomassewachstum und andere Ökosystemprozesse zwischen Mischwäldern und Monokulturen zu vergleichen und die Klimatauglichkeit verschiedener Baumarten am gleichen Standort zu erforschen. Hierfür entstanden Parzellen mit Reinbeständen aus Fichten, Kiefern, Lärchen, Eichen, Birken und Ahorn sowie Parzellen mit einer zunehmenden Mischung von bis zu sechs Arten dieser Laub- und Nadelhölzer. In den vergangenen sieben Jahren haben die Forschenden das Höhen- und Durchmesserwachstum, die Mortalität, die Durchwurzelung und viele anderer Variablen gemessen. Die Daten zeigen: In Mischwäldern produzieren Bäume im Vergleich zu Reinbeständen mehr Biomasse. Die Ergebnisse eines Experiments aus China, an dem Bauhus beteiligt ist, stützen die Freiburger Resultate.

Bezogen auf die Auswirkungen des Klimawandels konnte der Forstwissenschaftler zudem nachweisen, dass Mischwälder in vielen Fällen resistenter gegenüber Trockenstress sind und sich schneller davon erholen können als Reinbestände. Diese Eigenschaften gelten ebenfalls für Bäume aus Wäldern, die intensiv durchforstet werden. „Wird im Abstand von fünf bis zehn Jahren regelmäßig circa ein Viertel des Bestands geerntet, stehen den übrigen Bäumen mehr Ressourcen wie Bodenwasser zur Verfügung, wodurch sich deren Wurzeln und Blätter nach akuter Trockenheit schneller regenerieren“, erklärt der Experte.

Innerhalb des interdisziplinären Graduiertenkollegs ConFoBi erforscht Bauhus mit zwei Doktoranden zudem in einer Versuchsregion im Schwarzwald, wie Bäume als Lebensraum zum Erhalt und Schutz der Artenvielfalt beitragen können. Einige der so genannten Habitatbäume haben zum Beispiel tote Äste in Baumkronen oder Faulhöhlen im Stamm. Diese Räume sind für Fledermäuse und Insekten von besonderer Bedeutung. Die Graduiertenschule ist auf neun Jahre ausgerichtet, und wird in der nächsten Projektphase zunehmend Synthesearbeiten mithilfe der vielfältigen, bisher erhobenen Daten erstellen.

Bohrkerne veranschaulichen Wassermangel

Das Ökosystem Wald kann durch Klimastress und die Erfüllung wirtschaftlicher sowie gesellschaftlicher Ansprüche an seine Grenzen stoßen – insbesondere, wenn dabei das natürliche Gleichgewicht gestört wird. Ein Beispiel ist die Grundwasserentnahme im Freiburger Mooswald und anderen Eichenwäldern der Rheinebene zur Versorgung von Industrie, Landwirtschaft und Privathaushalten. Um nachzuvollziehen, wie sich das in Hitzesommern auf Bäume auswirkt, hat Bauhus‘ Arbeitsgruppe Bohrkerne aus Eichenstämmen entnommen und auf Trockenstress untersucht. Sein Fazit: Die schmaleren Jahresringe in Zeiten der Doppelbelastung zeigen, dass die Nutzung des Grundwassers das Wachstum der Eichen verlangsamt, ihnen die Erholung nach Dürren schwermacht und somit ihre Sterblichkeit erhöht.

„Es gibt vielfältige Interessenskonflikte“, räumt der Wissenschaftler ein. „Um diese zu lösen, ist es vor allem wichtig, funktionsfähige Ökosysteme in Zeiten des Klimawandels zu erhalten, die viele unterschiedliche Ansprüche erfüllen können.“ Dazu gehöre zum Beispiel, hierzulande Baumarten aus anderen Kontinenten oder aus wärmeren und trockenen Regionen Europas zu kultivieren. Neben der Eignung der Bäume sei bei diesen Schritten auch die gesellschaftliche Akzeptanz wichtig, sagt der Forscher: „Ein konservativer Naturschutzgedanke und die Sorge vor dem Verlust traditioneller Baumarten laden die Debatte um den Anbau neuer oder nicht einheimischer Baumarten derzeit emotional auf.“

Am Ende basiere die Entscheidung auf einer Abwägung der Werte, betont Jürgen Bauhus: „Entweder die Leute nehmen nicht-heimische Arten zugunsten der Stabilität des Ökosystems in Kauf, oder sie halten an hiesigen, nicht anpassungsfähigen Baumarten mit allen negativen Folgen für davon abhängige Lebewesen fest. Nicht immer gibt es eine optimale Lösung.“ Der Wissenschaftler bringt seine Expertise auch in der Politikberatung auf Bundes- und Landesebene ein, indem er die Vor- und Nachteile verschiedener Handlungsoptionen analysiert und dazu beiträgt, eine bessere Grundlage für Entscheidungen zu schaffen.

Kristin Schwarz

 

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