Acht Metropolen und ihre Fußabdrücke
Freiburg, 08.12.2020
Welchen Beitrag können Städte zum Klima- und Ressourcenschutz leisten? Mit dieser Frage befasst sich Dr. Cathrin Zengerling, Inhaberin der Juniorprofessur Transformation zu nachhaltigen Energiesystemen am Institut für Umweltsozialwissenschaften. Sie erforscht unter anderem, mit welchen Mechanismen Metropolen ihre Treibhausgasemissionen steuern und wie sich CO2-intensive Ressourcen innerhalb der Städte optimaler nutzen lassen. Anlässlich des 50. Jubiläums der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen (UNR) stellt eine Artikelserie deren unterschiedliche Fachbereiche und Forschungsprojekte vor. Der siebte Teil – Stadt – zeigt anhand des Projekts „Urban Footprints“, wie unterschiedliche Metropolen mit dem Klimaschutz umgehen.
Als Stadtstaat hat Hamburg seinen Klimaschutzplan mit einem Landesgesetz ergänzt und gestärkt. Foto: Powell83/stock.adobe.com
„Ein großer Energieverbrauch und hohe Treibhausgasemissionen machen Städte zu einem wichtigen Akteur im Klima- und Ressourcenschutz, dessen Bedeutung mit zunehmender Verstädterung wachsen wird“, sagt Cathrin Zengerling, die als Juristin auf Umwelt-, Energie-, Planungs- und Völkerrecht spezialisiert ist. Trotz ihrer impliziten Verantwortung unterlägen Städte in aller Regel keiner Rechtspflicht, um bestimmte Klimaschutzziele zu erreichen, ergänzt sie: „Als unterstaatliche Akteure sind sie zum Beispiel nicht an das unter Zwei-Grad-Ziel des Pariser UN-Klimaübereinkommens von 2015 gebunden.“ In ihrem Projekt „Urban Footprints“ möchte Zengerling mit Blick auf acht Metropolen herausfinden, ob und wie Klima- und Ressourcenschutz in Städten jenseits von Rechtsverbindlichkeiten gesteuert werden kann. Ein Ziel ist es, aus den Ergebnissen Empfehlungen abzuleiten, mit denen die Städte ihre Potenziale beim Klima- und Ressourcenschutz ausschöpfen können. Ein Freigeist-Stipendium der VolkswagenStiftung fördert das Projekt und die gleichnamige Nachwuchsforschungsgruppe. Zengerling nahm die Arbeit 2018 an der HafenCity Universität Hamburg auf und wechselte 2019 nach Freiburg.
Von Hamburg über Kairo bis nach São Paulo
Antworten auf ihre Forschungsfragen sollen die Metropolen Kairo/Ägypten, Shenzhen/China, Lagos/Nigeria, Toronto/Kanada, Neu-Delhi/Indien, São Paulo/Brasilien, New York/USA und Hamburg liefern. Im ersten Schritt untersuchen Cathrin Zengerling und ihre Mitarbeiterinnen Lisa Harseim und Nikita John derzeit, mit welchen Instrumenten und Prozessen die Städte ihre interne Klimaschutzplanung steuern und wie sie dabei ihrer Verantwortung und Rechenschaftspflicht nachkommen. Zudem ermittelt die Gruppe, über welche Verantwortungsverbindungen die Städte in die verschiedenen Pfeiler des Klimaschutzregimes integriert sind. Hierfür werten die Wissenschaftlerinnen Klimaschutzpläne sowie Monitoringberichte aus und sammeln ihre Erkenntnisse in einer Datenbank, die aus vier Säulen besteht. Laut Zengerling zeigten erste Ergebnisse eine Vielfalt an Steuerungsansätzen, die es erschwerten, städtische Beiträge zum Klimaschutz zu quantifizieren und zu vergleichen.
„Die Metropolen verpflichten sich mehr oder weniger verbindlich zum Klimaschutz. Hamburg hat Anfang 2020 ein Klimaschutzgesetz erlassen, andere Metropolen erstellen lediglich nicht bindende Klimapläne“, skizziert sie zwei Beispiele aus der Säule Verantwortung. Auch die Frage, wie offen und nachvollziehbar sie ihre Aktivitäten und deren Effekte kommunizieren (Säule Transparenz) führt zu diversen Erkenntnissen: „Während Hamburg seine Klimabilanz im Internet präsentiert und Neu-Delhi sich jüngst eine Transparenzinitiative für Planungsprozesse auferlegt hat, konnten wir für Lagos und Kairo kaum öffentliche Informationen finden.“
Die Juristin erklärt, dass Metropolen je nach Staatsform verschiedene Gestaltungsspielräume hätten, um das Klima zu schützen und Akteure in die Erstellung, Umsetzung und das Monitoring ihrer Pläne einzubinden (Säulen Verantwortung und Beteiligung). „In unserem föderalen System konnte Hamburg in der Sonderrolle als Stadtstaat den Klimaschutzplan mit einem stark überarbeiteten Landesklimaschutzgesetz ergänzen und stärken. Die deutsche Verfassung räumt der kommunalen Ebene einen recht weiten Handlungsspielraum ein. In Zentralstaaten haben die lokalen Ebenen deutlich weniger Einfluss. Als Sonderwirtschaftszone bildet die chinesische Stadt Shenzhen hier eine Ausnahme.“
Besser kombinieren
Neben Unterschieden macht die Analyse auch Optimierungspotenziale sichtbar – zum Beispiel in der Säule Bewertung. Sie bildet ab, wie die Projektstädte ihre Treibhausgasemissionen sowie deren Entwicklung messen und bewerten. „Sie ermitteln meist nur Emissionen, die innerhalb ihrer Stadtgrenzen oder in ihrer unmittelbaren Umgebung anfallen. Etwa durch Strom- und Wärmeerzeugung, Gebäude oder Mobilität“, erklärt Zengerling. Daran kritisiert sie, dass die realen Treibhausgasemissionen, die durch städtische Infrastrukturen und Lebensstile verursacht werden und neben diesen produktionsbezogenen Emissionen auch verbrauchsbezogene Emissionen umfassen, nicht berücksichtigt würden.
Für eine umfassende Bilanz müssten demnach auch so genannte vorgelagerte oder indirekte Emissionen in Klimabilanzen sichtbar werden, die etwa bei Produktion und Transport von in der Stadt verbrauchten Gütern regional oder global entstanden sind. „In verschiedenen Forschungsprojekten werden gerade Methoden entwickelt, um auch die städtischen verbrauchsbasierten Treibhausgasemissionen zu ermitteln und in der Klimaschutzplanung berücksichtigen zu können. New York plant beispielsweise eine entsprechende Erweiterung“, sagt Zengerling, die einen einheitlichen methodischen Standard für städtische Treibhausgasbilanzen befürwortet.
Ressourcenschutz im Fokus
Im nächsten Projektabschnitt werden die Wissenschaftlerinnen prüfen, ob es in den Metropolen bereits ein Management für Ressourcenschutz gibt und ob sich Klimaschutzpläne als Vorlage hierfür eignen. Zu diesem Zweck wird das Team exemplarisch untersuchen, wie Zement, Stahl und Phosphor in den Metropolen eingesetzt wird und ob diese rückgewonnen und wiederverwendet werden können. „Obwohl die Herstellung von Baumaterialien sehr CO2-intensiv ist, geht die Ressource als Abbruchmaterial oft verloren und landet auf der Deponie anstatt in einem Recyclingprozess“, erläutert Zengerling. Den Gegenbeweis treten die Stadt und der Kanton Zürich an. Sie haben etwa mit Vorgaben zur Verwendung von Recyclingbeton in stadteigenen Gebäuden und anderen Maßnahmen erreicht, dass im Kanton Zürich mittlerweile mehr als 80 Prozent der mineralischen Bauabfälle als Baustoffe wiederverwertet werden. „Das macht deutlich, wie Städte Klima- und Ressourcenschutz leben können“, sagt Cathrin Zengerling. „Wir wollen untersuchen, ob eine ähnliche strategische Planung auch in unseren Projekt-Metropolen sinnvoll und umsetzbar ist.“
Kristin Schwarz
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