Talente erkennen und Türen öffnen
Freiburg, 06.04.2018
Ein bisschen wie „Hans im Glück“ muss er durchs Leben gegangen sein: Eine Herausforderung hat er gegen die nächste eingetauscht. Doch mit 78 Jahren steht Karl Valentin Ullrich, Ehrensenator der Universität Freiburg, im Vergleich zur Märchenfigur mit vollen Händen da. Im April 2018 wird er erneut zum Förderer der Universität: Er hat die „Dr. Karl Valentin Ullrich-Stiftung“ mit einem Vermögen von 200.000 Euro eingerichtet.
Mutig und flexibel: Karl Valentin Ullrich hat die Gelegenheiten ergriffen, die sich ihm boten.
Foto: Patrick Seeger
Stundenlang könnte man ihm zuhören: Mit seinen 78 Jahren ist Dr. Karl Valentin Ullrich, Ehrensenator und frisch gebackener Stifter der Universität Freiburg, ein Zeitzeuge, der seinem Gedächtnis immer neue Details aus seinem bewegten Leben entlockt. Er war nicht auf Rosen gebettet, als es 1939 in Baden-Baden begann: das Jahr, in dem Hitler den Zweiten Weltkrieg erklärte, der Ullrich früh seinen Vater nahm. Die Mutter, Serviererin in einem Lokal, musste alleine drei Buben durchbringen. Der kleine Karl Valentin ging mit ihr Ähren lesen und Bucheckern sammeln.
Für die älteren Brüder fanden sich Förderer. Sie konnten Abitur machen und studieren. „Ich als jüngster musste bei der Mutter bleiben.“ Es war keine Kindheit, in der die Träume in den Himmel wachsen konnten. Aber eine, die Bodenhaftung und Verantwortung lehrte. Belustigt verweist Ullrich auf seinen Volksschulabschluss. „Wer hat so einen schon noch zu bieten?“ Der war auch nicht seine erste Wahl: Ullrich fühlte sich oft unterfordert, musste es in der Folge aber nicht bleiben: „Das Schicksal hat sich meiner angenommen.“
Hans im Glück
Ein bisschen wie „Hans im Glück“ muss er durch sein Leben gegangen sein. Staunend wie ein Kind über alles, was ihm begegnete und die enge dörfliche Welt von Hügelsheim, wo er aufwuchs, erweiterte. Eine Herausforderung tauschte er gegen die nächste, und so steht er an seinem Lebensabend – anders als Hans im Glück – mit vollen Händen da. Und er teilt mit denen, die Unterstützung brauchen. So jedenfalls empfindet es Ullrich, und er fühlt sich reich entschädigt für seine entbehrungsreiche Kindheit. Er hat sein Teil dazu beigetragen und stets die Gelegenheiten ergriffen, die sich ihm boten – mit Mut und Flexibilität.
Da war etwa jener Onkel, der den Neffen dazu drängte, die Lehrstelle nicht anzutreten und stattdessen eine höhere Handelsschule zu besuchen, mit deren Abschluss ihm eine Lehre bei der Sparkasse in Baden-Baden offenstand. Für Ullrich ein großes Glück: mit Leuten reden und sich in die Geheimnisse der Finanzwelt einarbeiten. Und so ging es weiter: Immer wieder fand sich jemand, der seine Talente erkannte und ihm neue Türen öffnete. Etwa jener Sparkassen-Kunde, der ihn an die höhere Wirtschaftsfachschule in Pforzheim verwies. Sie war für Menschen wie ihn gegründet worden, die kriegsbedingt nicht den ihren Begabungen entsprechenden Weg hatten einschlagen können.
Spaghetti kochen für Miss Kenia und Miss Uganda
In Köln und Freiburg studierte er Volkswirtschaftslehre. Weil dafür gute Englischkenntnisse vorausgesetzt wurden, ging er kurzerhand für ein Jahr ans University College in London, lernte die Sprache, spielte Fußball in der Universitätsmannschaft und tauchte tief in die kulturelle Aufbruchsstimmung der 1968er Jahre ein. Noch heute kann er die englischen Dichter zitieren, erinnert sich genau an seine Londoner Adresse und hat einen Ford, Baujahr 1956, 23 PS, in der Garage stehen, den er aus England mitgebracht hat. Notfalls baute der technisch begabte junge Mann selbst mal die Kardanwelle aus. Schließlich hatte er damit – wieder ganz Hans im Glück – während der Miss World Wahlen in London Miss Kenia und Miss Uganda beeindrucken können, für die er in seiner Bude Spaghetti kochte.
Kontakte auf allen Kontinenten
Zurück in Freiburg, promovierte der Bub aus Hügelsheim. Seine Dissertation schrieb er über die gesellschaftliche Verantwortung von Wirtschaftsunternehmen. Daraus entstanden zwei Publikationen – die so geschrieben waren, dass auch Unternehmer zu den Büchern griffen. Wissenschaft für den Elfenbeinturm war nicht Ullrichs Ding. Seine weiteren beruflichen Stationen boten ihm viele Gelegenheiten, seine Mission unters Volk zu bringen. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University in den USA wollte es das Schicksal, dass er in leitender Position die Auslandshandelskammern beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag betreute. Er kam auf allen Kontinenten herum und knüpfte weltweit Netzwerke, die bis heute halten.
Zum Heiraten hatte Ullrich übrigens lange keine Zeit. Erst mit über 40 Jahren lernte er während seiner Bonner Zeit eine geschiedene Frau mit drei Söhnen kennen. Er ist ihnen zu dem Vater geworden, der ihm selbst in seiner Kindheit gefehlt hat. 1985 zog es Ullrich zurück von Bonn nach Baden: 20 Jahre lang war er Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands industrieller Unternehmen in Baden, trieb die Kooperation der regionalen Wirtschaft mit der Universität voran und warb Geld für eine Stiftungsprofessur ein – als Voraussetzung zur Gründung der neuen „Fakultät für Angewandte Wissenschaften“, die heute „Technische Fakultät“ heißt.
Nicht nur als langjähriger Vorsitzender des Verbandes der Freunde der Universität wurde Karl Valentin Ullrich für andere zu einem Förderer auf ihrem Lebensweg wie er selbst es erfahren hatte. Mit der im April 2018 gegründeten Stiftung verfolgt er seine Mission weiter. Er will besonders Studierende und Promovierende unterstützen, die sich mit Fragen der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen befassen.
Anita Rüffer
Pressemitteilung über die Stiftungsgründung
Verband der Freunde der Universität Freiburg e. V.