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Reinigen durch Magie

Eine jahrtausendealte Keilschrifttafel berichtet über Rituale von Tempelangehörigen – ein Geschenk, das ein Alumnus seiner Alma Mater machte

Freiburg, 15.02.2018

Reinigen durch Magie

Foto: Patrick Seeger

Immer mal wieder finden Objekte aus vergangenen Zeiten in Form eines Geschenks den Weg in die Archäologische Sammlung der Universität Freiburg. Nicht selten handelt es sich um wertvolle Stücke. Eine Serie stellt die schönsten und ungewöhnlichsten Neuzugänge vor – den Anfang macht der weltweit einzige Abguss einer bronzezeitlichen Keilschrifttafel.


Die Tafel gibt Tempelangehörigen, die unreine oder verhexte Speisen genossen hatten, Anweisungen zur rituellen Reinigung. Foto: Patrick Seeger

Mit heutigen Augen betrachtet, wirkt die Kopie der Keilschrifttafel wie die beiden Seiten eines eng beschriebenen, aufgeschlagenen Buchs. Mit einem Griffel hat der Verfasser keilförmige Zeichen in den ungebrannten Ton gedrückt. Die beiden unteren Ecken der Tafel sind abgebrochen. Auch die Bruchlinie, die sich im Original leicht bogenförmig vom linken zum rechten Rand zieht, gibt der sorgfältig hergestellte Abguss wieder. Der Text der Keilschrifttafel berichtet von einem Ritual: Es soll Menschen helfen, die beispielsweise unreines oder verhextes Brot und Fett zu sich genommen haben. Regine Pruzsinszky, Professorin der Altorientalischen Philologie am Institut für Archäologische Wissenschaften, hat sich eingehend mit der Tafel und ihrer Inschrift beschäftigt. „Der Textbeginn dieser religions- und kulturgeschichtlich bedeutenden Ritualtafel wird gerne als Reinheitsgebot verstanden. Er wird bis heute in diversen Standardwerken zum Lebensmittelrecht als ältestes Lebensmittelgesetz bezeichnet“, erklärt Pruzsinszky.


Fritz Ruf (rechts) übergab die Schenkung feierlich Rektor Hans-Jochen Schiewer. Foto: Patrick Seeger

Gefunden wurde die Tafel in Hattuša, der Hauptstadt der Hethiter, im heutigen Zentralanatolien. Verfasst wurde der Text von Ammiḫatna, einem Priester der Göttin Išḫara, der sich mit den in hethitischer Sprache geschriebenen Erläuterungen an die Angehörigen seines Tempels wandte. Ein besonderer Fund, der nun seinen Platz an der Universität Freiburg gefunden hat. „Das Stück erweitert den Sammlungshorizont“, betont Dr. Jens-Arne Dickmann, Kurator der Archäologischen Sammlung.

Einziger Abguss weltweit

Das Original der Ritualtafel befindet sich im Archäologischen Museum in Istanbul/Türkei. Der Abguss ist eine Schenkung von Dr. Fritz Ruf, Ernährungswissenschaftler und Lebensmittelchemiker im Ruhestand. „Es handelt sich um die einzige existierende Replik. Sie war das tollste und kostbarste Stück meiner archäologischen Sammlung“, sagt der 90-Jährige, der in Heilbronn lebt. „Ich war sehr stolz, als ich den Abguss 1992 zu meinem 65. Geburtstag als Geschenk erhielt. Jetzt war mir daran gelegen, dass er in die richtigen Hände gelangt. Als wohl einer der ältesten Alumni der Freiburger Universität dachte ich sofort an die Archäologische Sammlung.“


Anhand der Tafel will Regine Pruzsinszky ihren Studierenden die Prinzipien der Keilschrift vermitteln. Foto: Patrick Seeger

1968 hatte das Hamburger Unternehmen Maizena die Replik in Anerkennung seiner Verdienste zu seinem 65. Geburtstag Edmund Forschbach, seinerzeit Ministerialdirigent im Bundesministerium für Gesundheit, zum Geschenk gemacht. Die Familie Forschbachs schenkte die Tafel nach seinem Tod an Fritz Ruf weiter, als dieser wiederum 65 Jahre alt wurde. Er war mit Forschbach freundschaftlich verbunden gewesen. Nun können Studierende anhand der Tafel die Prinzipien der Keilschrift erforschen.

Hans-Dieter Fronz

Archäologische Sammlung der Universität Freiburg