Klimafreundlich zum Kongress
Freiburg, 23.10.2019
Jede Reise, zumal wenn sie ins Ausland führt, stellt eine Belastung für das Klima dar. So gesehen kann jeder Reisekostenzuschuss auch als „Förderung“ des CO2-Ausstoßes gesehen werden. Dem möchte Prof. Dr. Karl-Reinhard Volz von der Wissenschaftlichen Gesellschaft Freiburg entgegensteuern und fordert von Antragsstellerinnen und Antragsstellern künftig eine zusätzliche Stellungnahme, in der sie begründen, warum ihre Reise in Hinblick auf den Klimaschutz wirklich notwendig ist. Judith Burggrabe hat mit Volz über die neue Regelung gesprochen.
Paris, London, Berlin: Wer innerhalb Europas zu einem Kongress reist, kann ihn auch gut mit dem Zug erreichen. Foto: goodluz/stock.adobe.com
Herr Volz, Ihre Idee, Vortragsreisen klimabewusster zu gestalten, klingt gut, aber baut sie nicht unnötige Hürden beim Austausch zwischen Forschenden auf?
Karl-Reinhard Volz: Nicht wirklich, es ist eine Art Stolperstein, sich im Vorfeld einer Reise mit dem eigenen ökologischen Fußabdruck gewissenhaft auseinanderzusetzen. Die Wissenschaftliche Gesellschaft Freiburg ist die älteste Fördergesellschaft Deutschlands und unterstützt seit mehr als 100 Jahren insbesondere den wissenschaftlichen Nachwuchs. Unser Ziel ist, den Austausch, das Vernetzen und den kritischen Diskurs zu fördern. Gerade für junge Forscherinnen und Forscher ist es wichtig, ihre Ergebnisse der scientific community zeitnah zu präsentieren und kritisch prüfen zu lassen. Aber das muss räumlich nicht immer weit weg sein.
Manche wichtigen Kongresse finden aber nur alle paar Jahre statt. Wie sieht es damit aus?
Da gilt es zu unterscheiden. Bei den großen Konferenzen lässt sich eine Fernreise nur schwer vermeiden. Aber es gibt häufig ähnliche Veranstaltungen zu ähnlichen Themen, die überall auf der Welt stattfinden, sei es in den USA, in Asien oder in Europa. Manche Reiseziele sind jedoch schlicht nicht mehr nachvollziehbar. Beispielsweise, wenn sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ohne konkreten fachlichen Bezug auf Hawaii treffen.
Wie kommt es, dass solche Destinationen für Veranstaltungen ausgesucht werden?
Die Organisatorinnen und Organisatoren von Kongressen wollen, dass möglichst viele Leute kommen und suchen deshalb Orte aus, die gleichzeitig auch als Reiseziele attraktiv sind. Das ist Wissenschaftstourismus, den wir nicht unterstützen wollen. Wir wollen, dass man sich damit auseinandersetzt, ob die Reise wirklich notwendig ist.
Organisatoren von Kongressen suchen oft Orte aus, die gleichzeitig als Reiseziele attraktiv sind: „Das ist Wissenschaftstourismus, den wir nicht unterstützen wollen“, betont Karl-Reinhard Volz. Foto: Ingeborg F. Lehmann
Welche Punkte müssen die Antragstellenden nun vorab prüfen?
Wer einen Reisekostenzuschuss einreicht, sollte sich vorher unter anderem kundig gemacht haben, ob bei Fernreisen nicht eine entsprechende Konferenz auch in Europa stattfindet, ob die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der eigenen Forschungseinrichtung sinnvoll begrenzt wurde und, falls eine Flugreise unverzichtbar sein sollte, ob eine CO2-Kompensation vorgesehen ist.
Künftig also per Bahn nach Wien, Paris oder London?
In Europa sollte eigentlich immer der Zug genommen werden. Bahnfahren ist inzwischen jedoch um ein Vielfaches teurer als fliegen. Da im Finanzplan vieler Projekte zwar Sachmittel und Technik berücksichtigt werden, nicht aber Vortragsreisen, fehlt hier oft das Geld. Deshalb möchten wir Jungwissenschaftler finanziell bewusst dabei unterstützen, sich für die Bahn zu entscheiden und sich nicht sofort in den Billigflieger zu setzen.
Sind Videokonferenzen eine adäquate Alternative zur Vortragsreise?
Konferenzen mit 10 oder 20 Personen sind jetzt schon möglich, bei 200 Teilnehmern lässt sich momentan zwar der Vortrag übertragen, jedoch gibt es keine Möglichkeit für die anschließende Diskussion. Auch das Netzwerken untereinander wird beeinträchtigt, aber oft ist es so, dass viele bereits vernetzt sind. Das heißt, wenn man sich einmal trifft, dann zwei- oder dreimal per Video konferiert und sich beim fünften Mal wieder persönlich trifft, ist das auch okay.
Gehen Sie denn mit gutem Beispiel voran?
Ich versuche Flugreisen so gut es geht zu vermeiden. Und wenn ich fliege, kompensiere ich den CO2-Ausstoß mit Zahlungen an entsprechende Institutionen. Meiner Ansicht nach sollte der Aufwand für Kongresse insgesamt verschlankt werden. Bankette sind unnötig. Wenn die Kongressgebühren sinken würden, bliebe mehr Geld übrig, um Forschungsreisen klimagerecht zu fördern.