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Zur Krise des Alltags

Studierende der Kulturanthropologie bieten mit einem Blog Einblicke in das Leben während der Pandemie

Freiburg, 04.05.2020

Zur Krise des Alltags

Foto: Maria Sbytova/stock.adobe.com

Die Corona-Epidemie lähmt die Gesellschaft, doch sie weckt auch kreative Kräfte: Lea Breitsprecher und Tobias Becker, Studierende der Kulturanthropologie an der Universität Freiburg, haben das Blog „Alltag in der Krise“ gestartet. An dem Projekt können sich Interessierte mit Beiträgen beteiligen. Und durch gemeinsamen Austausch die Krise besser bewältigen.

Mit Schutzmaske zum Wocheneinkauf: In der Pandemie werden gewohnte Routinen hinterfragt und neue Regeln ausgehandelt. Foto: Maria Sbytova/stock.adobe.com

 

Der Alltag vieler Menschen steckt in der Krise. Gewohnte und selbstverständlich geglaubte Routinen werden in der Coronapandemie infrage gestellt. In solchen Situationen können Menschen aber auch neue Abläufe entwickeln und sich einen anderen Alltag schaffen. Ob im Homeoffice, Homeschooling, lokalen Initiativen oder in der digitalen Interaktion mit der Familie und dem Freundeskreis: Viele begegnen den neuen Herausforderungen mit kreativen Strategien. Wie sich der Alltag wandelt und wie Menschen damit umgehen, behandeln zwei Masterstudierende vom Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie in ihrem Blog „Alltag in der Krise“. Die Idee dazu entstand, wie vieles derzeit, am Telefon.

Breitsprecher und Becker hatten gemeinsam ein Seminar zu Ressourcen und Ressourcenknappheit besucht. Als im März 2020 die Regale im Supermarkt, einst zum Bersten mit diversen Sorten von Nudeln und Toilettenpapier gefüllt, immer leerer wurden, sprachen die beiden darüber, wie Ressourcen in Zeiten einer Epidemie genutzt werden. Kurz darauf entstand die Idee zum Blog, an dem sich Interessierte als Autoren mit Beiträgen beteiligen können.

Aus der kulturwissenschaftlichen Perspektive erhofften sich die beiden Studierenden, unterschiedliche Einblicke in das Thema zu gewinnen. Beide wirkten früher am Projekt „Blog the job“ ihres Instituts mit, bei dem Studierende Beiträge zu ihrem Studium und beruflicher Zukunftsplanung veröffentlichen. Zudem arbeiteten beide zuvor in Lokalredaktionen von Tageszeitungen. Im Vergleich zu journalistischer Arbeit erfordere ein Blog hingegen eine etwas andere Schreibweise, erklärt Becker: „Während der Tageszeitungsjournalismus am Puls der Zeit sein will, geht es uns mit dem Blog darum, Themen reflektiert einzuordnen. In der jetzigen Situation brauchen wir nicht nur tagesaktuelle Meldungen, sondern auch präzises Nachdenken.“

Kulturwissenschaftliche Notizen

Forschende der empirischen Kulturwissenschaft betrachten Ausprägungen und Formen von Alltagskultur und untersuchen, wie Menschen ihr Leben gestalten und wie sie gemeinsam mit Herausforderungen umgehen. In dem Blog können Menschen mit verschiedenem Hintergrund aktuelle Entwicklungen einordnen und damit die Krise genauer verstehen sowie gemeinsam besser bewältigen. Die Beiträge versteht Breitsprecher als eine Art kulturwissenschaftliche Notizen: „Wir wollen das große Ganze betrachten und zugleich den Blick auf individuelle Fragen richten. Würden wir dies nicht tun, wäre unser Blick auf das Thema unvollständig.“ Studierende, etablierte Kulturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Kunstschaffende sowie andere Interessierte seien dazu eingeladen, ihre Gedanken in dem Blog festzuhalten, zu kommentieren, weiterzudenken und zu teilen. „Ob in Form eines philosophischen Gedankenspaziergangs, mit analytischer Feder, als autoethnografischer Bericht, als Interview oder als Schnappschuss aus dem Corona-Alltag: In welcher Form die Autoren dies tun, bleibt ihnen selbst überlassen. Bisher haben wir schon einige Einsendungen veröffentlicht“, erzählt Breitsprecher.

Die Vorstellung eines „Danach“

Ein Thema begleite alle veröffentlichten Beiträge: Alltag und die Struktur der Gewohnheiten. Es sei stets die Vorstellung eines „Danach“ zu spüren, also davon, was nach der Krise geschehen werde, berichtet Becker: „Nachdem Familienfeste ohne Familien und Gottesdienste ohne Gemeinden stattgefunden haben, nehmen Menschen ihren Alltag langsam wieder auf, wenn auch mit spürbaren Widerständen. Als Konsequenz stellen sich viele Menschen nun die Frage nach dem ‚guten Leben‘ und wie dieses gelingen kann.“

Wie viele ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen nehmen die beiden Studierenden digitale Lehrangebote wahr und erledigen ihre Jobs als studentische Hilfskräfte am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie aus der Ferne. Breitsprecher betont, dass die Pandemie für die Allgemeinheit auch Chancen bereithalte: „Politisch und wirtschaftlich werden zur Zeit viele Entscheidungen getroffen und Entwicklungen vorangetrieben, vor allem im Bereich der Digitalisierung. Es wäre schön, wenn diese Dynamik nachhaltig anhält. Eins zeigt uns diese Krise nämlich besonders: Der Mensch ist kreativ und lernfähig.“

 

Patrick Siegert

 

Blog „Alltag in der Krise