Uffbäbber un Kruuschtelkischd
Freiburg, 23.02.2018
Genau genommen ist der „Iikauf uf Badisch“ beim Online-Fanshop des SC Freiburg ein Etikettenschwindel: Korrekt müsste es „Alemannisch“ heißen, denn die Sprache Badisch gibt es eigentlich nicht. Davon lässt sich die Arbeitsstelle „Badisches Wörterbuch“ der Universität Freiburg aber nicht stören – schließlich ist sie nach dem ehemaligen Großherzogtum Baden und nicht nach Sprachgrenzen benannt. Ihr Leiter Dr. Tobias Streck, gebürtiger Offenburger, hat den Shop gemeinsam mit Fans auf Badisch übersetzt und das Projekt wissenschaftlich geleitet. Annette Hoffmann hat den Linguisten gefragt, ob sich das Verhältnis zu Dialekten in den vergangenen Jahren gewandelt hat, wie er mit den verschiedenen Spielarten des Badischen umgegangen ist und warum er bei der Übersetzung des Worts „Multifunktionstuch“ kapituliert hat.
Foto: Alexander Limbach/Fotolia, Montage: Sandra Meyndt
Herr Streck, was haben Sie letzten Samstagnachmittag gemacht?
Tobias Streck: Das Spiel des SC im Radio angehört. Ich habe nicht mehr so viel Zeit ins Stadion zu gehen.
Sie haben für den SC Freiburg die Übersetzung des Fanshop-Onlineauftritts ins Badische begleitet. Geschah dies auf ausdrückliche Bitte des Cheftrainers Christian Streich?
Tobias Streck: Nein. Die Marketingabteilung des SC Freiburg hat mich Mitte Mai 2017 kontaktiert. Die Idee war, im Rahmen eines Fanprojekts die regionale Verwurzelung des Vereins zu unterstreichen.
Haben Sie jetzt eine Dauerkarte?
Tobias Streck: Schön wär’s. Wir haben erst einmal das Projekt und seine Schwierigkeiten diskutiert. Es sollte nicht heimattümelnd wirken, viele reagieren auch sehr empfindlich, wenn der Dialekt nicht richtig rüberkommt. Wir haben Fans aus verschiedenen Gegenden gesucht, da die Dialekte jeweils sehr unterschiedlich sind.'
Formulierungen aus dem Kaiserstuhl, der Ortenau und aus der Nähe zur Schweizer Grenze: Tobias Streck wollte bei der Übersetzung die Vielfalt des Badischen abbilden.
Foto: Thomas Kunz
Gefunden haben Sie Julian Burger aus Schopfheim, Mark Armbruster aus Merdingen und Susi Vetter aus Offenburg. Wie sind Sie mit diesen verschiedenen Sprachvarietäten umgegangen?
Tobias Streck: Wir wollten genau diese Vielfalt abbilden. Das Ergebnis ist kein real gesprochener Dialekt; wir können auch nicht Wörter aus drei Gegenden nehmen und diese normalisieren. Man merkt den Formulierungen den Kaiserstuhl, die Ortenau oder die Nähe zur Schweizer Grenze an. Wissenschaftlich gesehen würde man dies nicht mischen, sondern im Ausspracheteil eines Wörterbuchartikels darstellen, welche Aussprache wo zu finden ist.
Bei Trikot, Zimmerfahne und Multifunktionstuch haben Sie aber kapituliert.
Tobias Streck: Wir haben uns davon leiten lassen, ob man die Wortbedeutung auch versteht. In manchen Fällen haben wir uns entschieden, das standarddeutsche Wort zu belassen. Das Projekt soll zum Schmunzeln anregen, aber nicht lächerlich wirken. „Trikot“ zum Beispiel klingt – alemannisch ausgesprochen – gar nicht mehr so standarddeutsch, da wir im Alemannischen weiche Konsonanten und den Akzent auf der ersten Silbe haben.
Christian Streich spricht mit großer Selbstverständlichkeit Dialekt.
Tobias Streck: Ja, und man kann sich kein besseres Aushängeschild für das Alemannische und für die Region vorstellen. Streich ist nicht nur ein erfolgreicher Fußballtrainer. Er geht über sein Kerngeschäft hinaus und positioniert sich klar zu sozialen, politischen und gesellschaftlichen Debatten. Das passt gut zu einem Verein wie dem SC Freiburg.
Hat sich das Verhältnis zum Dialekt in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Tobias Streck: Ja, zum Glück sehr. In den 1970er Jahren war es in verschiedenen Gegenden sehr verpönt, mit den Kindern Dialekt zu reden, weil man für sie Nachteile in der Schule befürchtete. Eine wichtige Frage ist auch, was man überhaupt unter Dialekt versteht: Wer heute Dialekt redet, spricht in der Regel anders als zum Beispiel ein alter, lange ortsansässiger Dialektsprecher in den 1970er Jahren. Das heißt nicht unbedingt, dass die Dialekte aussterben. Vielmehr verdeutlicht es den Sprachwandel. Die Menschen sind heutzutage mobiler, und die Dialekte werden großregionaler.
Anders als der Fanshop ist das Badische Wörterbuch online nicht einzusehen. Warum?
Tobias Streck: Es gibt einen Verlagsvertrag, der das so vorsieht. Es ist klar, dass Leute heutzutage Wörterbücher auch digital nutzen wollen, aber bislang sind wir auf taube Ohren gestoßen. Gleichzeitig ist es sinnvoll, ein Langzeitprojekt wie das Badische Wörterbuch erst einmal abzuschließen, bevor man Zusatzangebote wie Hörbeispiele oder interaktive Karten machen kann. Das Wörterbuch wurde im frühen 20. Jahrhundert begonnen und ist allein dadurch schon sehr heterogen. Wir haben heute eine ganz andere Beleglage. Das Material für den fünften und letzten Band, das sich in einem Zettelkasten befindet, ist bereits in einer Datenbank aufgenommen. Alles wurde gescannt. Doch viele Zettel sind handschriftlich verfasst worden, oft noch in Kurrent- oder in Sütterlinschrift. All das muss man von Hand eingeben. Mein Vorgänger hat aber dafür gesorgt, dass uns ein digitaler Volltext aller Bände des Wörterbuchs für unsere Forschung zur Verfügung steht. Es war eine jahrelange Arbeit, das abzutippen.