Studentisches Crossmediaprojekt
Freiburg, 10.05.2021
„Rausch und Realität“: Im April 2021 veröffentlichte ein elfköpfiges Team von uniCROSS, der crossmedialen studentischen Redaktion am Medienzentrum der Universitätsbibliothek, auf unterschiedlichen Medienkanälen inhaltlich breit gefächerte Beiträge zum Thema Drogen. Herzstück ist eine 36-minütige Video-Reportage über die offene Drogenszene im Freiburger Colombipark. Vinetta Richter und Thomas Hermanns arbeiten als Tutoren bei uniCROSS. Im Gespräch mit Anita Rüffer erzählen sie, was die Initialzündung für das Projekt war, das auf große Resonanz bei den Beteiligten gestoßen sei.
Drogenkonsumraum, Medikamentensucht, Hirndoping: Die studentische Redaktion von uniCROSS hat sich mit den vielen Facetten des Themas „Drogen“ auseinandergesetzt. Collage: Vinetta Richter/Thomas Hermanns/uniCROSS
Gab es einen bestimmten Anlass, dieses Thema aufzugreifen?
Thomas Hermanns: Ich wohne ganz in der Nähe vom Colombipark und laufe jeden Tag an der offenen Drogenszene dort vorbei. Mir fiel diese seltsame Trennung im Park auf: einerseits Blumenbeete und Bänke rund um das Museum im Colombischlössle, andererseits das abgegrenzte Areal für die Drogenszene.
Vinetta Richter: Die Szene findet sich mitten in der Stadt und ist eigentlich nicht zu ignorieren. Aber wie der größte Teil der Öffentlichkeit wusste ich nichts darüber. Wer sind diese Menschen? Was machen sie? Wir wurden neugierig auf ihre Geschichten.
War es einfach, mit ihnen in Kontakt zu kommen?
Hermanns: Wir waren uns am Anfang unsicher und haben uns daher an eine Sozialarbeiterin und einen Sozialarbeiter der Drogenhilfe Freiburg und des Kontaktnetzwerks Straßensozialarbeit der Stadt Freiburg gewandt. Zusammen sind wir dann in den abgegrenzten Bereich gegangen. Wir wussten nicht, was dabei herauskommen würde. Die Leute dort waren dann aber sehr offen.
Richter: Das hätte ich so nicht erwartet, und es hat mich positiv überrascht. In dem Video lassen wir zwei der Protagonisten für mehr als 15 Minuten zu Wort kommen.
Ist das aus journalistischer Perspektive nicht ein bisschen lang geraten?
Richter: Nein. Aber Drogenabhängige haben keine Lobby. In der Reportage kam es uns vor allem darauf an, sie viel selbst reden zu lassen und nicht über sie zu reden. Es geht uns darum, eine emotionale Nähe aufzubauen und den Schubladen, in die sie allzu schnell gesteckt werden, ihre eigene Wirklichkeit entgegenzusetzen. Dabei wird deutlich, dass Drogensucht eine Krankheit ist. Wer von Drogensucht betroffen ist, um den muss die Gesellschaft sich kümmern.
Vinetta Richter und Thomas Hermanns arbeiten als Tutoren bei uniCROSS und betreuten das studentische Projekt. Fotos: Thomas Hermanns
Sind Drogensüchtige immer nur Opfer oder haben sie auch eine Verantwortung für ihr Leben?
Hermanns: So einfach ist das nicht. Natürlich trägt jeder Verantwortung für sein Leben. Aber die Wege in die Abhängigkeit sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sie gehen. Doch der Weg hinaus ist kompliziert. Viele kennen doch Personen, die nikotinsüchtig sind und versuchen, von den Zigaretten wegzukommen. Und man weiß ja, wie schwer das ist. Mit harten Drogen wie Heroin ist der Entzug noch schwieriger. Und das ist das Problem. Hier werden Süchtige von der Gesellschaft mit Füßen getreten und ausgegrenzt. Unsere Themenwoche zeigt: Schwarz-Weiß-Denken wird der Realität nicht gerecht.
Was gehört alles zu dieser Realität?
Richter: In Basel wird, zum Beispiel, erforscht, inwieweit psychedelische Drogen wie LSD oder Pilze in der Therapie von Depressionen oder Angsterkrankungen eingesetzt werden können. Hierzulande wäre diese heilsame Forschung gar nicht möglich, weil es sich um illegale Substanzen handelt, wie man in einem Artikel im Rahmen unseres Projekts lesen kann. Ein Interview mit einer Oberärztin geht der Frage nach, wie verbreitet die Medikamentensucht bei medizinischem Personal ist. Auch Studierende greifen zu Drogen, um Konzentrationsfähigkeit und Leistung zu steigern: Über Ritalin als Hirndoping spricht ein Jurastudent im Interview.
In Ihrem Video machen Sie sich stark für einen Drogenkonsumraum in Freiburg. Warum?
Hermanns: Weil der Bedarf dafür da ist. Das Konzept eines Drogenkonsumraums ist nicht neu. Das wird schon seit Jahrzehnten in der Schweiz und mehreren deutschen Städten erfolgreich angewandt. Selina Trinkner von der Drogenhilfe Freiburg hat uns die Vorteile klargemacht. Zum einen hat niemand Lust, dass im öffentlichen Raum konsumiert wird, weder von der Drogensucht Betroffene noch Passanten. Der öffentliche Raum wird also entlastet. Zum anderen sinken auch die Risiken des Konsums.
Schafft so ein Angebot nicht erst Anreize, Drogen zu konsumieren?
Hermanns: Es käme gewiss niemand auf die Idee, einfach mal dorthin zu gehen und eine Drogenkarriere zu beginnen. Die Ursachen für eine Drogensucht liegen woanders. Hilfsprogramme wie ein Konsumraum, der Kontaktladen mit dem Spritzentausch oder die Methadonsubstitution zielen darauf ab, Symptome abzuschwächen, den Zwang zur Geldbeschaffung und damit die Beschaffungskriminalität zu mindern. Beispiele aus anderen Ländern wie der Schweiz oder Portugal zeigen, dass akzeptanzorientierte Maßnahmen erfolgreicher sind als Repression.
Richter: Es muss sich noch viel verändern im Umgang mit Drogen. Unsere Themenwoche bietet die Gelegenheit, sich einen Überblick über die unterschiedlichen Aspekte zu verschaffen.