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Sei offen, sei mutig, mach Fehler

Ausländische Studierende berichten über ihre Erfahrungen in Deutschland

Freiburg, 05.03.2019

Eine international orientierte Lernerfahrung eröffnet berufliche Möglichkeiten und bietet Raum für interkulturellen Austausch. Bei der Veranstaltung „Why We Are Going Global – Internationale Studierende im Gespräch“ haben fünf Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschiedenen Ländern über ihre Erfahrungen sowie fachliche und alltägliche Herausforderungen in Deutschland gesprochen.

Sprachliche Hürden und kulturelle Missverständnisse lassen sich nicht vermeiden – auch diese Erfahrungen sehen die Studierenden als Bereicherung an. Foto: Slava Bowman/Unsplash

 

„Bereits in der Schule in China habe ich angefangen, Deutsch zu lernen. Während meines Studiums in Berlin habe ich bemerkt, dass viele Chinesinnen und Chinesen nach Deutschland eingewandert sind, und habe das zum Thema meiner Dissertation gemacht. Deutschland hat einen sehr guten Ruf in China, und das Studium ist im Vergleich zu anderen Ländern günstiger, aber qualitativ sehr gut. Jetzt promoviere ich an der Universität Freiburg im Fach Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie. Ein internationales Studium halte ich für wichtig. Dadurch erhält man unterschiedliche Deutungsmuster und Interpretationsmöglichkeiten. Im Fernsehen werden oft Informationen über andere Länder vermittelt, die ich jetzt kritisch sehe und hinterfrage. Es gibt Situationen, in denen ich zwar die Sprache verstehe, aber bestimmte Redewendungen nicht. Beispielsweise habe ich vor einem Seminar etwas gegessen, als die Dozentin kam und meinte: ‚Essen Sie ruhig.‘ Das habe ich verstanden als: ‚Essen Sie bloß nicht im Unterricht, sondern woanders in Ruhe.‘ Ich habe sofort mit dem Kauen aufgehört, aber sie betonte: ‚Nein, nein, essen Sie ruhig.‘ Wichtig ist es, mutig zu sein. Man muss den ersten Schritt gehen und dafür offen bleiben, was noch kommt.“

Jing Zhao, China
Foto: Thomas Kunz

 

„In Moskau habe ich Jura studiert und in einer deutschen Kanzlei gearbeitet. Ich wollte im internationalen Bereich tätig sein. Um das deutsche Rechtssystem kennenzulernen, habe ich ein weiteres Studium in Hamburg absolviert. Das hat mir großen Spaß gemacht. Dann fiel die Entscheidung auf Freiburg, weil die Universität eine der besten Rechtswissenschaftlichen Fakultäten in Deutschland hat. Und die Stadt ist eine tolle Abwechslung zu Hamburg: schönes Wetter, viel Sonne, nette Menschen. In Russland werden die meisten Examen mündlich abgelegt. In Deutschland gibt es schriftliche Klausuren. Das war etwas ungewöhnlich, aber ich musste mich nur auf die Sprache einstellen. In Deutschland ist Jura viel systematischer; ich musste meine Denkweise an dieses System anpassen. Ich habe gemerkt, wenn man an wirtschaftlichen Projekten interkulturell zusammenarbeitet, kann man einander besser verstehen, Kommunikation herstellen und Konflikte vermeiden. Dieser Austausch ist ebenso eine Bereicherung für die eigene Kultur.“

Anzhela Abramova, Russland
Foto: Thomas Kunz

 

„Ich bin Ärztin, doch es wird immer problematischer, diesen Beruf in meiner Heimat Syrien unparteiisch auszuüben. Deshalb bin ich zuerst nach Spanien und dann nach Deutschland gegangen. Deutsch lerne ich erst seit Kurzem am Goethe-Institut in Freiburg. Ich möchte mich gerne auf ein Fachgebiet spezialisieren, vielleicht die Innere Medizin. Danach möchte ich bei ‚Ärzte ohne Grenzen‘ arbeiten. Es gibt viele kulturelle Unterschiede zwischen Syrien und Deutschland. An der Universität in Syrien können wir die Lehrenden nicht evaluieren, und der Unterricht ist sehr streng. Viele Menschen hier wissen nicht viel über Syrien, außer dem, was sie in den Nachrichten hören. Aber wir haben auch eine große kulturelle Vielfalt. Jede neue Kultur kennenzulernen ist wie eine Heilung für die Seele. Ich finde es toll, dass es in Deutschland viele umweltfreundliche Projekte gibt. Auch mit Themen wie Organspende, Stammzellen- und Blutspende gehen die Menschen in Deutschland viel bewusster um. Das möchte ich mitnehmen und diese Einstellung in meiner Heimat populär machen.“

Yasmin Zeidan, Syrien
Foto: Thomas Kunz

 

„Eine internationale und interkulturelle Bildung ermöglicht einem eine andere Perspektive. An der Universität Freiburg mache ich ein Auslandsjahr und studiere Geschichte und chinesische Politik. In meiner Heimat Michigan in den USA studiere ich Musik und Geschichte. Als Amerikaner sehen wir den Zweiten Weltkrieg immer als große Herausforderung, bei der wir etwas Großes geleistet haben. Wir fragen nicht so genau, was die Nachteile für uns waren. Aber hier in Freiburg diskutieren wir diese Fragen kritischer. Es ist leichter, über amerikanische Politik zu diskutieren, weil die Deutschen objektiver sind. Sprache ist immer ein Problem, und die kulturellen Unterschiede sind oft Hürden. In Deutschland sind zum Beispiel die Türen zum ‚Ziehen‘ so in den Türrahmen eingebaut wie die Türen zum ‚Drücken‘ in den USA. Am Anfang bin ich dauernd gegen diese Türen gerannt, einfach aus Gewohnheit. Aber man muss Fehler machen, um zu lernen. Ich liebe es hier in Freiburg. Wenn ich mein Studium in den USA abgeschlossen habe, könnte ich mir vorstellen wiederzukommen.“

Daniel Kroth, USA
Foto: Thomas Kunz

 

„Ich habe das deutsch-französische Abitur gemacht und eine Liebe für die deutsche Sprache entwickelt. Im Anschluss an ein Studium in Strasbourg habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr am Centre Culturel Français in Freiburg absolviert. In nur einem Jahr habe ich so viel Deutsch gelernt, dass ich das nicht wieder verlernen wollte. Außerdem fand ich das Leben in Freiburg toll. Ich habe in Deutschland viel über mich und andere Menschen erfahren. Deshalb habe ich an der Universität Freiburg angefangen, Medienkulturwissenschaft zu studieren. Um die Kultur und die Sprache kennenzulernen, eignet sich eine WG mit Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern sehr gut. Als ich hier in Deutschland angekommen bin, war es für mich überraschend, dass junge Menschen sich die Hand schütteln, wenn sie sich zum ersten Mal begegnen. Das kenne ich eher aus Treffen in einem professionellen Umfeld. Durch einen Auslandsaufenthalt wird man viel offener für andere Kulturen, und ich würde es allen empfehlen, ins Ausland zu gehen.“

Chloé Stephenson, Frankreich
Foto: Thomas Kunz

 

Alice Tátrai-Gruda

 

Freiburg International

Die Podiumsdiskussion war die erste gemeinsame Veranstaltung des Verbunds „Freiburg International“. Der Zusammenschluss besteht aus den Freiburger Institutionen Goethe-Institut, Centre Culturel Français, Konfuzius-Institut, Zwetajewa-Zentrum und dem Carl-Schurz-Haus. Die Kooperationspartner wollen den interkulturellen Dialog fördern, globale Themen im internationalen Verbund vor Ort diskutieren und die große kulturelle Vielfalt der Stadt Freiburg sichtbar machen.