Groß denken, kleine Schritte gehen
Freiburg, 23.08.2018
Mitte der 1990er Jahre ist er auf die erste große Start-up-Welle aufgesprungen. Seitdem hat der Physiker Dr. Michael Lauk acht Firmen mitbegründet – und engagiert sich parallel in zahlreichen Organisationen für Studierende mit großen Ideen, aber wenig finanziellen Mitteln. Wird so ein Tausendsassa nicht auch mal müde? Manchmal schon. Dann trainiert er für den Iron Man.
Vielbeschäftigt, aber entspannt: Den Antrieb, mehrere Projekte gleichzeitig anzuschieben, verspürt Michael Lauk schon sein ganzes Leben lang.
Foto: Patrick Seeger
Mit Michael Lauk einen Gesprächstermin zu finden ist nicht leicht. Nicht weiter verwunderlich bei einem, der in den vergangen 20 Jahren acht Unternehmen im medizintechnischen Bereich mitgegründet hat und in etlichen gemeinnützigen Organisationen aktiv ist. Das Treffen findet im Freiburger Industriegebiet statt, in den Räumen der neuroloop GmbH, die Lauk mit auf den Weg gebracht hat. Start-up Nummer sechs. Eine Makroaufnahme des Produkts von neuroloop schmückt sein Büro: eine Elektrode, die am Vagusnerv eingesetzt wird, um über elektrische Stimulation den Blutdruck zu senken. Die Atmosphäre ist relaxt. Lauk ist nicht der Typ, der die Hektik eines Vielbeschäftigten versprüht. Mit seinem sportlichen Aussehen und offenen Lächeln könnte er auch gut jungen Unternehmerinnen und Unternehmern in einem Schulungsvideo gewinnendes Auftreten vermitteln.
In diese Richtung zielt sein unternehmerisches Streben ab: Nicht nur eigene Firmen möchte er an den Start bringen, sondern auch junge Menschen dazu motivieren, diesen Weg für sich zu erwägen. Lauk engagiert sich ehrenamtlich im Vorstand der Wirtschaftsinitiative bwcon und als erster Vorsitzender des „Verbandes der Freunde der Universität Freiburg“. „Mit dem Verband haben wir neulich die Idee eines energieautarken Autoklaven gefördert. Ein super Ding, um medizinische Geräte auch in Drittweltländern ohne geregelte Energieversorgung sterilisieren zu können“, begeistert er sich.
Der Verband der Freunde ist Lauk aus noch einem Grund wichtig: „Ich komme aus einem Nichtakademiker-Haushalt mit fünf Geschwistern. Deshalb engagiere ich mich gern für Leute, die finanzielle Hilfe für ihr Studium benötigen, auch wenn unsere begrenzten Mittel nur Impulse setzen können – etwa jemandem eine Exkursion nach Afrika zu ermöglichen.“
Das Unternehmen neuroloop hat eine Elektrode entwickelt, die am Vagusnerv eingesetzt wird und über elektrische Stimulation den Blutdruck senkt.
Foto: neuroloop
Reiten auf der Start-up-Welle
Studiert hat Lauk Physik. Allerdings nur, weil in den 1990er Jahren sein eigentliches Interesse, die Verfahrenstechnik, in Freiburg nicht angeboten wurde. Sein großes Glück war, dass er im ersten Semester einen Job als Hilfskraft in der Neurologie fand. Physiker, die programmieren und komplexe Technik warten konnten, waren gefragt. „Ich habe dort gleich mit dem Forschen begonnen, und bis zum Diplom war ich schon an mehr als zehn Veröffentlichungen beteiligt.“
Sein zweiter Trigger war das Auslandsjahr an der Boston University in den USA. 1996 bis 1997, während der ersten großen Start-up-Welle. „Das war ansteckend, zumal wir damals im Freiburger Zentrum für Datenanalyse ebenfalls viele Industrieprojekte im klinischen Bereich und in der Qualitätssicherung am Start hatten.“ Also gründete Lauk während seiner Promotion 1998 die erste Firma.
Acht Unternehmen, hohes gesellschaftliches Engagement – wird man da nicht aufgerieben? „Den Antrieb verspüre ich schon mein ganzes Leben lang, das belastet mich gar nicht“, winkt er ab. „Eher umgekehrt: Mich würde es wahnsinnig machen, wenn ich im Urlaub nur am Strand hocken müsste.“ Sicher gebe es auch Phasen, in denen Vieles schief laufe. „Da muss man dann durch und zäh sein.“
Überhaupt müsse man für Start-ups Ausdauer aufbringen. Lauks Devise lautet: groß denken, aber die Ziele in kleine Schritte einteilen. Er vergleicht das mit Extrem-Ausdauersportarten. „Da gerät man unweigerlich in völlige Hoffnungslosigkeit und will aufgeben. Damit es nicht so weit kommt, steckt man sich kleine Ziele: noch bis zur nächsten Verpflegungsstation, die eine Kurve noch. Dann wird die nächste Etappe zum Erfolg, und das motiviert.“
Intensive Stunden ohne Ablenkung
Sport spielt eine wichtige Rolle in Lauks Leben, aber nicht als Ausgleichshobby. „Ich bin ein extremer Mensch. Ich will kompetitiv sein und mache Sachen entweder richtig oder gar nicht.“ Zum Beispiel die Teilnahme am Iron Man auf Hawaii/USA. In nur anderthalb Jahren hat er sich den typischen Vaterschaftsbauch bis zur Wettkampfhärte wegtrainiert. Doch es geht ihm nicht nur um Ehrgeiz: „Beim Sport bin ich nicht erreichbar. Das sind intensive Stunden ohne Ablenkung, in denen ich in Ruhe über wichtige Entscheidungen nachdenken kann. Sport macht mein Berufsleben effizienter.“
Wird so auch die Familie gemanagt? „Das geht nicht, und das will ich auch nicht. Familie steht bei mir ganz oben und ist der einzige feste Anker in meinem Leben.“ Für Lauk funktioniert das nur, weil seine Frau mitzieht, nicht nur beim Sport. „Wir sind auch ein Arbeitsteam. Anders ginge es nicht. Die Auswirkungen der Arbeit sind so hoch, dass wir das nur zusammen stemmen können.“ Vielleicht ist die nächste Generation bald mit im Team. Zumindest reden auch die beiden fast erwachsenen Kinder schon von Start-ups.
Jürgen Reuß