Germanisten mit Gründergeist
Freiburg, 12.04.2019
Am Deutschen Seminar der Universität Freiburg wurde das zweigeteilte Projekt „Bookbakers/Scriptbakery“ gegründet, das Verlagen sowie Autorinnen und Autoren das Crowdpublishing näherbringen soll. Mit den Start-ups will das Team neue Zielgruppen an der Entstehung von Werken beteiligen und Verlagsprozesse vereinfachen.
Ein Start-up aus den Geisteswissenschaften der Universität Freiburg sorgt für frischen Wind im Verlagswesen. Quelle: Bookbakers
Der Weg vom Manuskript zum fertigen Buch ist lang und holprig. Viele Autoren verzweifeln bei der Zusammenarbeit mit Verlagen an den hohen Kosten und mangelnder Effizienz. Eine Ausgründung des Deutschen Seminars der Universität Freiburg will dem ein Ende bereiten: Der Crowdpublishing-Dienstleister „Bookbakers“ unterstützt Verlage und Autoren beim Aufbau einer Marke und stellt den Kontakt zu Leserinnen und Lesern her, die aktiv an der Entstehung und Veröffentlichung eines Werkes mitwirken können. Im Zuge des digitalen Wandels ermöglicht die Plattform ein offeneres und direkteres Verhältnis zwischen Produzierenden und Konsumierenden im Verlagswesen.
Scriptbakery ist ein Werkzeug, das Manuskripte annimmt und mithilfe künstlicher Intelligenz verwaltet. Dabei geben Autoren alle für den Verlag relevanten Daten in ein Online-Formular ein und laden ihre Dokumente hoch. Das Programm analysiert den Text und bereitet die Ergebnisse visuell für das Lektorat auf. Im Vergleich zur Einsendung per E-Mail oder per Post können Manuskripte über das Formular schneller angenommen und bearbeitet werden.
Das Projekt wird von Studierenden, Absolventinnen und Absolventen der Universität Freiburg, der Technischen Universität Dresden und der Université Aix-Marseille/Frankreich geführt. Das Gründerpaar Géraldine und Jonas Navid Al-Nemri hat sich während des Studiums der Germanistik und Theologie in einem interdisziplinären Projekt mit der Verbindung von Crowdfunding und Literaturbetrieb beschäftigt. „Um unsere Ideen auf dem freien Markt zu testen, haben wir den kladdebuchverlag gegründet. Er lieferte uns den ‚Proof of Concept‘, also den Beleg für die Durchführbarkeit des Vorhabens“, erläutert Jonas Al-Nemri.
Vom Seminar ins Büro
Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter Lisa Helmus, Tony Franzky und Dominic Lammert haben berufliche Erfahrungen in Verlagen, Redaktionen und in der Softwareentwicklung gesammelt. Die Scriptbakery wurde eigentlich als Modul der Bookbakers-Plattform entwickelt. Allerdings funktionierte sie so gut, dass das Team beschloss, sie als eigenständiges Produkt weiterzuführen.
Das Start-up erhält ein EXIST-Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie von Januar bis Dezember 2019 – damit ist eine Fördersumme von mehr als 135.000 Euro verbunden. Das Geld wird unter anderem in Server für die künstliche Intelligenz sowie in die allgemeine Infrastruktur investiert. Dr. Harald Baßler vom Deutschen Seminar unterstützt das Team bei der Zusammenarbeit mit der Universität, vernetzt es mit relevanten Stellen und stellt ihm einen Büroraum zur Verfügung. Das Freiburger Gründerbüro hat die Studierenden und Absolventen entdeckt und hilft ihnen bei Verhandlungen mit Investoren und beim Schärfen des Geschäftsprofils. Außerdem stellt es den Kontakt zu Expertinnen und Experten her.
Mehr Chancen für Newcomer
Zur zahlenden Kundschaft gehören vor allem Verlage, doch auch junge Autoren profitieren von dem Konzept. Die beiden Produkte, so hofft das junge Unternehmen, sollen das Veröffentlichen von Texten vereinfachen, die Risiken für Verlage minimieren und sie dazu animieren, vermehrt talentierte Newcomer zu publizieren. „Wir machen Crowdpublishing für die ganze Verlags- und Buchbranche nutzbar“, betont Dominic Lammert. Das Team arbeitet besonders gerne mit Studierenden zusammen. Dass es sich als eines von wenigen deutschen Start-ups mit sprach- und geisteswissenschaftlichem Hintergrund für das EXIST-Stipendium qualifizieren konnte, erfüllt Géraldine Al-Nemri mit Stolz: „Viele Studierende in unseren Fachgebieten können sich eigene Gründungen gar nicht vorstellen. Wir möchten andere mit unserem Gründergeist anstecken.“
In Zukunft will das Team mehr Nutzerinnen und Nutzer erreichen und wirtschaftlich wachsen, um neue Projekte umzusetzen. Ihr Angebot werde für mehr Vielfalt in der Verlagsbranche sorgen, glaubt die Gruppe. Verlage könnten sich dank der zur Verfügung stehenden Analyseinstrumente mehr an den Interessen der Leser orientieren und müssten sich nicht mehr nur auf das Gespür von Lektorinnen und Lektoren verlassen. Manuskripte könnten anders gesichtet, versteckte Potenziale entdeckt und neue Erzählformate ohne hohes Risiko ausprobiert werden.
Patrick Siegert