Ausbeulen als technische Revolution
Freiburg, 19.08.2019
Mikropumpen und Mikroventile pumpen, dosieren und kühlen bei Infusionen, Druckvorgängen, in Elektroapparaten und bei unzähligen Industrieprozessen. Der Freiburger Forscher Ardavan Shabanian hat das Bauprinzip der Kleinstgeräte so revolutioniert, dass sie kompakter, leistungsfähiger, sparsamer und robuster sind. Sein Start-up muVaP hat eine der bislang höchsten EXIST-Förderungen an der Universität Freiburg erhalten.
Winzig und hochkomplex: Die Mikropumpe des Start-ups muVap ist 25 Millimeter groß.
Foto: muVap
Ausbeulen statt biegen: Mit dieser Innovation will Ardavan Shabanian vom Institut für Mikrosystemtechnik IMTEK der Universität Freiburg den Markt für Mikropumpen und Mikroventile umkrempeln: „Die vielen Vorteile sind unübersehbar“, findet der Maschinenbau- und Mikrosystemingenieur. Sein Start-up muVaP hat eine der höchsten Förderungen im Programm EXIST-Forschungstransfer erhalten, die je an eine Ausgründung der Universität Freiburg ging – knapp eine Million Euro. „Unsere Technologie ist einzigartig und wird erfolgreich sein“, glaubt auch Hans Rainer Stork, der Businessexperte bei muVaP. Weltweit werden auf diesem Markt mehr als zehn Milliarden US-Dollar pro Jahr umgesetzt. In bis zu zehn Jahren möchte muVap mindestens 100 Millionen davon abzwacken. Das Start-up will Kleinstgeräte kompakter, leistungsfähiger, sparsamer und robuster machen.
Arbeit im Verborgenen
Mikropumpen und -ventile arbeiten im Verborgenen. „Überall wo es darum geht, Flüssigkeiten und Gase präzise zu dosieren“, erklärt Shabanian. Darüber hinaus halten sie Flüssigkeiten von kleinen Kühlkreisläufen in Bewegung, etwa an Prozessoren von Computern oder an dicht gesetzten LEDs. Endlos erscheinen die Einsatzgebiete: Medizintechnik, Messtechnik, Analysetechnik, Verfahrenstechnik, Drucktechnik.
„Die erste Idee für das neue Prinzip hatte ich schon, als ich mich für die Doktorarbeit beworben habe“, erinnert sich Shabanian. Doch wie genau funktioniert die Methode? Mikropumpen arbeiten mit Piezoelementen (PE). Diese bewegen sich, wenn eine elektrische Spannung an ihnen anliegt. In Mikropumpen verformen PE dünne Membranen so, dass sich darunter ein Hohlraum bildet. Dabei entsteht Unterdruck. Er saugt durch eine Öffnung Gase oder Flüssigkeiten ein. Fällt die elektrische Spannung ab, glättet sich die elastische Membran wieder. Sie presst den Inhalt des Hohlraums durch eine zweite Öffnung hinaus: Die Mikropumpe pumpt. In konventionellen Systemen krümmt sich ein Piezoelement. Es klebt auf der Membran und biegt sie mit. Shabanian legt stattdessen ein PE um die Membran: „Es drückt seitlich so darauf, dass sie sich ausbeult.“
Dieser Aufbau hat viele Vorzüge: Ein Modul aus PE plus Membran kann gleichzeitig als Mikroventil dienen. Bei klassischer Bauweise sind zwei solche Einheiten notwendig, außerdem braucht es zur Herstellung einen Reinraum. muVap kommt auch ohne aus: „Unser System ist einfacher zu produzieren. Wir können viel schneller Varianten für Spezialanwendungen entwickeln.“ Weiter sind die Mikropumpen-Ventil-Systeme robuster als traditionelle. Diese versagen spätestens ab wenigen Bar Druck. muVaP-Module hingegen vertagen mehrere Bar. Im Gegensatz zu herkömmlichen, von Magneten gesteuerten Systemen, stören Magnetfelder die muVaP-Pumpen nicht. Sie machen auch keine Geräusche, verbrauchen zehnmal weniger Energie und erwärmen sich fast nicht. „Die Magnetventile benötigen Kühlungen oder Abkühlpausen“, sagt Shabanian. Nicht zuletzt besticht seine Entwicklung durch Kompaktheit bei hohen Durchflussraten: Standardmodelle mit 25 Quadratmillimetern Größe pumpen maximal sieben Milliliter pro Minute. Schon kleinere muVaP-Pumpen schaffen das Siebenfache.
Mikropumpen und -ventile arbeiten im Verborgenen – sie sorgen zum Beispiel dafür, dass die Prozessoren in Computern nicht überhitzen. Foto: Annie Spratt/Unsplash
Teamaufbau ist „fast wie heiraten“
Die Pluspunkte wirbelten Storks Pläne durcheinander. „Eigentlich wollte ich in Ruhestand gehen.“ Dann aber traf er Shabanian. Dessen Geschäftsidee fand Stork „perfekt“ und stieg bei muVaP ein. Er übernahm Akquise, Verkauf, Marketing, Networking und Finanzen. Stork hat 30 Jahre lang Firmen gegründet, geleitet, umstrukturiert, gefördert und beraten – nach einer wissenschaftlichen Ausbildung als Feinmechaniker und IT-Ingenieur. Das wiederum findet Shabanian perfekt: „Er versteht die Technik und hat Erfahrung mit Unternehmen.“ Das vierköpfige Führungsteam komplettieren die beiden Mikrosystemingenieure Anjan Bhat Kashekodi als Soft- und Hardwareentwickler und David Stork als Produktentwickler.
„Dieses Team aufzubauen war die größte Herausforderung“, erzählt Shabanian, „So etwas ist fast wie heiraten.“ Schließlich ging es um das Wichtigste in seinem bisherigen Leben. Da zähle neben der Qualifikation besonders das Zwischenmenschliche – die Chemie. Welche Optionen ein Start-up bietet, hat ihm das Gründerbüro der Universität aufgezeigt. Büro- und Laborkapazitäten stellt die Universität dem Unternehmen kostenfrei zur Verfügung. „Wir bekommen uneingeschränkte Unterstützung“, sagt Shabanian. Auch das großzügige EXIST-Stipendium freut ihn und ebenso, dass sechs Masterstudierende wertvolle Arbeit für muVaP leisten.
Verhandlungen mit Interessenten laufen bereits
Im nächsten halben Jahr soll die Gründung als Firma stattfinden, sagt Stork: „Sobald wir Aufträge haben.“ Verhandlungen laufen bereits, es gebe viele Interessenten, selbst aus Japan. Noch sucht muVaP aber nach dem Marktsegment, in dem es durchstarten will. Aktuell liegt der Fokus auf industriellen Anwendungen. „Dafür wollen wir speziell zugeschnittene Mikropumpen und Ventile bauen“, so Stork. Um hier zum nennenswerten Marktfaktor aufzusteigen, muss sich muVaP ein Sechstel des Umsatzes sichern. Dieses Ziel hofft Hans Rainer Stork in fünf bis acht Jahren zu erreichen.
„Danach wollen wir unsere Produktpalette für andere Anwendungen ausbauen und weiter wachsen“, schaut Shabanian nach vorne. Er träumt davon, ein „Major Player“ in einigen Marktsparten zu werden. Im Blick hat er dabei etwa die Medizintechnik. Mit energiesparenden muVaP-Systemen würden Langzeitimplantate viel länger laufen, sagt er: „Es wäre schön, wenn wir auch die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten verbessern könnten.“ Zwischendurch will er noch seine Promotion über Mikropumpen beenden. Der Forschungsteil ist mit Bravour erledigt. Nur der Titel fehlt noch.
Jürgen Schickinger