Zum Wohl!
Freiburg, 12.04.2018
Flüssigbrot, Hopfentee, Gerstensaft. Die Vielzahl der Synonyme, die es für Bier gibt, scheint die Beliebtheit des Getränks widerzuspiegeln. Am 23. April wird der „Tag des deutschen Bieres“ gefeiert, der auf den Jahrestag der Verkündung des Reinheitsgebotes im Jahr 1516 zurückgeht. Für Kulturanthropologin Dr. Sarah May von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ist Bier ein kulturelles und kulinarisches Gut. „Der Begriff Kultur umfasst auch die Art und Weise des gelebten Alltags. Deshalb ist zum Beispiel der Trend zum Craft Beer sehr interessant, weil es Tradition und Innovation miteinander verknüpft.“
In den vergangenen Jahren sei bei vielen das Interesse gewachsen, selbst Bier zu brauen. Gleichzeitig habe die Zahl kleinerer unabhängiger Brauereien zugenommen und der Konsum von Craft Beer sei gestiegen. „Bierbrauende und Biertrinkende suchen damit Distanz zu großen Konzernen, die mit dem Reinheitsgebot werben und es doch nach den Vorgaben der industriellen Fertigung dehnen“, sagt May. Das Craft Beer berufe sich nicht auf das Reinheitsgebot und suche doch die reinen Zutaten. „Hier wird bewusst wild gemischt und zum Beispiel auch mal Birne oder etwas anderes hinzugefügt als nur Malz, Hopfenextrakt, Hefe und Wasser.“
Für sie als Kulturanthropologin sei gerade beim Bier das Spannungsfeld von Tradition und Innovation besonders interessant: „Wie werden das Wissen und die Erfahrung der Braukunst weitergegeben? Wie wird Bier vermarktet? Und wie verhält es sich mit der regionalen und der globalen Konkurrenz?“ Zum Bierbrauen brauche es ganz spezifisches Wissen: viel Fingerspitzengefühl und eine gute Beobachtungsgabe oder aber technisierte Prozesse und ein mathematisch genaues Verhältnis der Zutaten. Bei der Vermarktung gebe es neben den etablierten Festen wie dem Münchner Oktoberfest oder den Cannstatter Wasen inzwischen auch in kleineren Orten Bierwanderwege oder Biermuseen. „Dabei wird der Bezug des Biers zur Landwirtschaft genutzt, um die Region auch unter kulinarischen Gesichtspunkten zu vermarkten. Innovation und Tradition spielen hier ganz eng zusammen.“
Was die regionale und globale Konkurrenzsituation angehe, lohne sich ein Blick nach Bayern. „Dort haben sie das ‚Bayerische Bier‘ bereits im Jahr 2001 von der Europäischen Union als offiziell feststehenden Begriff schützen lassen, um die Tradition zu schützen und zu bewerben“, betont May. Wie stark Innovation und Tradition zusammenhängen, sei 2012 deutlich geworden, als das ebenfalls EU-registrierte ‚Münchner Bier‘ künftig auch als alkoholfreie Variante geschützt wurde. „Die bayerischen Bierbrauer haben sich nicht auf ihren Erfolgen ausgeruht, sondern sind mit der Zeit gegangen, wobei auch hier nicht vergessen werden darf, dass dahinter viel Geld und gute Gewinne stecken.“
Dr. Sarah May ist seit Oktober 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Universität Freiburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die politische und ökonomische Anthropologie, Arbeit und Handwerk, kulturelles Erbe und kulturelles Eigentum sowie Kulinaristik.
Dr. Sarah May
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