Antwort im Mikrotröpfchen
Freiburg, 11.09.2020
Die Protozellen fusionieren, nachdem das künstliche Metalloenzym eine Signalkaskade ausgelöst hat. Abbildung: Avik Samanta
Nur dank komplexer Signalprozesse kann der menschliche Körper auf seine Umwelt reagieren: Trifft ein Reiz auf eine Zelle, wandelt sie ihn in ein Signal um, das mithilfe von chemischen Reaktionsnetzwerken in das Zellinnere weitergeleitet wird und dort eine Reaktion hervorruft. Prof. Andreas Walther vom Exzellenzcluster „Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems (livMatS)“ und Dr. Avik Samanta vom Institut für Maromolekulare Chemie der Universität Freiburg ist es zusammen mit Prof. Thomas Ward und Dr. Valerio Sabatino von der Universität Basel/Schweiz gelungen, solche Signalprozesse in aus DNA bestehenden Protozellen nachzubilden. Die Studie bietet Rückschlüsse darauf, wie sich adaptive künstliche Systeme mit lebensähnlichen Funktionen entwickeln lassen. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in der Fachzeitschrift Nature Nanotechnology veröffentlicht.
Protozellen wird eine Schlüsselrolle in der Entstehung allen Lebens zugesprochen: In den Urzellen konnten chemische Reaktionen in hochkonzentrierten Molekülgemischen ablaufen. Die Reaktionen legten den Grundstein dafür, dass sich Lebewesen entwickeln konnten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bilden solche Protozellen mit Mikrotröpfchen nach, so genannten Koazervaten, die ebenfalls eine hohe Dichte an Molekülen aufweisen und somit ein ähnliches Umfeld für chemische Reaktionen bieten.
Das Team hat das Innere einer solchen synthetischen Protozelle mit DNA ausgestattet und an die einzelnen DNA-Stränge künstliche Katalysatoren gebunden, so genannte Metalloenzyme. Hierfür haben die Forscher auf einzelnen DNA-Strängen Biotin verankert. Mithilfe des Proteins Streptadivin, das besonders gut an Biotin bindet, konnten die Wissenschaftler ein künstliches Metalloenzym an die DNA andocken. Ward und Sabatino hatten das Streptavidin zuvor so optimiert, dass der angehängte Katalysator besonders reaktionsfähig ist.
In der Protozelle löst das künstliche Metalloenzym dann eine Signalkaskade aus: Der Katalysator wandelt ein Signalmolekül in ein fluoreszierendes Effektormolekül um. Da dieses in der Reaktion aufleuchtet, wird sein Weg im Mikroskop sichtbar. Als Zwischenprodukt der Reaktion tritt es in Wechselwirkung mit den DNA-Strängen, die die Kapselwand der Protozelle zusammenhalten. Dadurch wächst die Zelle, sie erfährt mechanischen Stress, und ähnlich wie in lebenden Organismen kommt es zur Fusion der Protozellen.
„Die Nachbildung solcher scheinbar simplen metabolischen Adaptationsprozesse in Protozellen ist von herausragender Wichtigkeit, um Rückschlüsse auf die Entstehung des Lebens ziehen zu können“, sagt Walther. „Mit der Studie ist nun ein vielfältiger Werkzeugkasten vorhanden, um dies weiter zu untersuchen.“
Originalpublikation:
Samanta, A., Sabatino, V., Ward, T.R., Walther, A. (2020): Functional and morphological adaptation in DNA protocells via signal processing prompted by artificial metalloenzymes. In: Nature Nanotechnology. DOI: 10.1038/s41565-020-0761-y
Kontakt:
Prof. Dr. Andreas Walther
Institut für Makromolekulare Chemie und Exzellenzcluster „Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems“ (livMatS)
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-96895
Email: andreas.walther@makro.uni-freiburg.de
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Abbildung Avik Samanta