Kanäle für Energieversorgung
Freiburg, 25.01.2018
Forscherinnen und Forschern der Universität Freiburg ist es gelungen zu beschreiben, wie die so genannten Beta-Barrel-Proteine in die Membran von Mitochondrien eingebaut werden. Diese Proteine ermöglichen es den Zellkraftwerken, Moleküle zu importieren und zu exportieren. Damit hat das Team um Prof. Dr. Nils Wiedemann und Prof. Dr. Nikolaus Pfanner in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Carola Hunte eine grundlegende Frage der Proteinbiochemie geklärt. Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat die Forschung mit einem Consolidator Grant gefördert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht.
Die Mitochondrien, auch bekannt als Zellkraftwerke, bestehen aus etwa 1.000 Eiweißmolekülen, die aus dem Zellwasser eingeschleust werden. Für diesen Zweck hat ihre äußere Membran Proteinimportkanäle aus Eiweißmolekülen mit einer Fassstruktur, den Beta-Barrel-Proteinen. In den Mitochondrien wird mit Hilfe der Energie aus der Nahrung das zelluläre Energiemolekül Adenosintriphosphat (ATP) hergestellt. Über weitere Fassprotein-Poren wird ATP über die mitochondriale Außenmembran in das Zellwasser geschleust. So wird das Leben menschlicher Zellen angetrieben.
Vor knapp 30 Jahren klärte die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Georg Schulz an der Universität Freiburg die Struktur der Beta-Barrel-Membranproteine auf: In entgegengesetzte Richtungen verlaufende Stränge der Proteine bilden Faltblätter, die durch Zusammenlagerung des ersten und des letzten Stranges einen hohlen Zylinder formen. Seitdem stellte sich die Frage, wie diese Klasse von kanalbildenden Eiweißmolekülen in biologische Membranen eingebaut wird. Daraufhin wurde in der Außenmembran der Mitochondrien eine Sortierungs- und Assemblierungs-Maschinerie (SAM) identifiziert, die den Einbau der Fassproteine ermöglicht. Die zentrale Untereinheit von SAM für die Bildung der Beta-Barrel-Proteine heißt Sam50. Hier setzt die aktuelle Arbeit an: Dr. Alexandra Höhr wies experimentell nach, dass der letzte Strang des neuen Proteins zwischen den ersten und den letzten Strang des Sam50-Beta-Barrels eingesetzt wird, womit der Membraneinbau startet. Zusammen mit Caroline Lindau zeigte sie, dass Stück für Stück weitere Stränge des neuen Beta-Barrels in die seitliche Öffnung von Sam50 eingefädelt werden, bis der neue vollständige Kanal in die Membran entlassen wird.
Weil Mitochondrien und die photosynthetischen Chloroplasten von gemeinsamen bakteriellen Vorfahren abstammen, trägt die Studie nicht nur zum besseren Verständnis der Bildung und Funktion der Zellkraftwerke bei – sie liefert auch neue Einsichten über die Bildung von Chloroplasten und Bakterien.
Nils Wiedemann, Nikolaus Pfanner und Carola Hunte sind Arbeitsgruppenleiter am Institut für Biochemie und Molekularbiologie und Mitglieder des Exzellenzclusters BIOSS Centre for Biological Signalling Studies sowie der Spemann Graduiertenschule für Biologie und Medizin an der Universität Freiburg.
Originalveröffentlichung:
Alexandra I. C. Höhr, Caroline Lindau, Christophe Wirth, Jian Qiu, David A. Stroud, Stephan Kutik, Bernard Guiard, Carola Hunte, Thomas Becker, Nikolaus Pfanner, Nils Wiedemann: Membrane protein insertion through a mitochondrial β-barrel gate. In: Science 359/6373.
http://science.sciencemag.org/content/359/6373/eaah6834.full
Kontakt:
Nils Wiedemann
Institut für Biochemie und Molekularbiologie
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-5280
E-Mail: nils.wiedemann@biochemie.uni-freiburg.de