Universität Freiburg distanziert sich von früheren Ehrensenatoren
Freiburg, 25.10.2017
NS-Reichsinnenminister Frick (am Rednerpult), hier bei der Verleihung der Ehrensenatorenwürde 1940 in der Aula der Universität Freiburg, ist einer von sechs früheren Ehrensenatoren, von denen sich die Universität distanziert. Foto: Universitätsarchiv
„Wegen ihrer Verfehlungen in der Zeit des Nationalsozialismus distanziert sich der Senat von der Ernennung folgender Personen zu Ehrensenatoren: Wilhelm Frick, Karl Gärtner, Werner Haustein, Franz Kerber, Franz Xaver Rappenecker und Emil Tscheulin“ – So lautet der Beschluss, den der Senat der Universität am 25.10.2017 einstimmig gefasst hat. Rektor Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer betont: „Damit stellt die Universität klar, dass wir die nationalsozialistische Verstrickung der Betroffenen auf das Schärfste verurteilen und verachtenswertes Verhalten im Nationalsozialismus nicht ehren.“
Vorausgegangen war dem Beschluss eine umfassende historische Aufarbeitung. Nachdem Vorwürfe zu einzelnen Ehrensenatoren bekannt geworden waren, hat der Senat am 28.10.2015 Prof. Dr. Gisela Riescher, Prorektorin für Redlichkeit in der Wissenschaft, Gleichstellung und Vielfalt, damit beauftragt, eine Gruppe von Expertinnen und Experten zu bilden, um eine systematische wissenschaftliche Überprüfung vorzunehmen. In der Folge hat eine sechsköpfige Expertengruppe mit historischer, juristischer und politikwissenschaftlicher Expertise Informationen zu allen seit 1922 ernannten Ehrensenatorinnen und Ehrensenatoren der Universität Freiburg erhoben und mit Hilfe von zuvor erarbeiteten Kriterien ausgewertet. Nach intensiver Arbeit hat die Expertengruppe nun ihren Abschlussbericht vorgelegt. Der Bericht, der vom Senat einhellig begrüßt wurde, ist hier einsehbar.
Der Bericht macht deutlich, dass die Verleihung der Würde einer Ehrensenatorin beziehungsweise eines Ehrensenators immer im jeweiligen Zeitkontext erfolgte. Die Vorsitzende der Expertengruppe, Prorektorin Riescher, sagt: „Die Ehrungen sind Teil der Universitätsgeschichte. Es kann nicht darum gehen, die Geschichte aus heutiger Sicht zu bereinigen oder zu korrigieren.“ Aus Sicht der Expertengruppe wäre es daher nicht zielführend gewesen, wenn der Senat aus der Retrospektive darüber entschieden hätte, ob er jede historisch vollzogene Ehrung heute wieder vornehmen würde beziehungsweise weiter für richtig hielte oder nicht. „Das wäre unhistorisch“, so Riescher. „Allerdings gibt es unter den Ehrensenatoren mit nationalsozialistischer Vergangenheit einige besonders gravierende Fälle, zu denen die Universität nicht schweigen will.“ Konkret geht es um die oben genannten sechs Personen, für die der Bericht schwerwiegende nationalsozialistische Verstrickungen aufzeigt und in beigefügten Einzelgutachten ausführlich dokumentiert. Entsprechend den Empfehlungen des Berichts hat sich der Senat von der Ernennung dieser Personen zu Ehrensenatoren distanziert.
Die Ehrensenatorenwürde ist eine persönliche Ehrung, die nach vorherrschender juristischer Ansicht mit dem Tod erlischt. Verstorbenen kann sie insofern nicht mehr entzogen werden. Die oben genannten Personen sind alle verstorben und mithin keine Ehrensenatoren mehr. Eine Aberkennung der Ehrensenatorenwürde scheidet daher rechtlich aus. Um gleichwohl politisch deutlich zu machen, dass die Universität die nationalsozialistische Verstrickung der Betroffenen missbilligt, hat der Senat den Weg einer öffentlichen Distanzierungserklärung gewählt.
Bei den gefassten Beschlüssen geht es der Universität um einen offenen Umgang mit ihrer jüngeren Vergangenheit und nicht um deren Umdeutung. Es geht gerade nicht um eine Tilgung aus der Geschichte oder eine gleichsam stillschweigende Ausradierung der betroffenen Namen aus Listen und Verzeichnissen. Die Betroffenen sollen daher weiterhin in der Liste der Ehrensenatorinnen und Ehrensenatoren, die Auskunft über vergangene Ehrungen und damit über historische Tatsachen gibt, geführt werden. Allerdings wird mit einer Anmerkung bei den Betroffenen auf den erfolgten Distanzierungsbeschluss des Senats aufmerksam gemacht. Eine entsprechend überarbeitete Liste der Ehrensenatorinnen und Ehrensenatoren hat die Universität auf ihren Internetseiten veröffentlicht (siehe hier).
Die Universität versteht die gefassten Beschlüsse nicht als Schlussstrich. Sollten künftig neue Erkenntnisse zu einzelnen Ehrensenatorinnen und Ehrensenatoren auftauchen, die auf gravierende Verfehlungen hinweisen, wird sie sich erneut mit der Thematik befassen. Für die Universität Freiburg ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ein fortwährender Prozess, dem sie sich offensiv und immer wieder neu stellt.
Kontakt:
Prof. Dr. Gisela Riescher
Prorektorin für Redlichkeit in der Wissenschaft, Gleichstellung und Vielfalt
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-4322
E-Mail: prorektorin.redlichkeit-gleichstellung@uni-freiburg.de