Lebenskunst und Poesie
Freiburg, 28.11.2013
Origineller Denker, streitbarer Intellektueller, engagierter Bürger: Der Freiburger Philosoph Prof. Dr. Rainer Marten feiert am heutigen 28. November 2013 seinen 85. Geburtstag. Marten studierte Philosophie, Alte Geschichte und Griechisch – zunächst in München, dann an der Universität Freiburg. Hatte ihn das Interesse an Martin Heidegger nach Freiburg gelockt, war es Martens eigenständige Auseinandersetzung mit Platon und Aristoteles, die ihm half, bei aller Wertschätzung eine kritische Distanz gegenüber Heidegger zu gewinnen. Sie war der Beginn einer lebenslangen Beschäftigung mit dessen Werk und Person, die in einleuchtende Analysen, sinnreiche Auslegungen und scharfe Kritik mündete.
1954 wurde Marten mit einer Arbeit über Platons „Politikos“ promoviert, 1963 legte er an der Albert-Ludwigs-Universität seine Habilitation über Platons „Sophistes“ vor. Nach einer Assistentenzeit in Karlsruhe folgte der Philosoph 1967 dem Ruf nach Freiburg. Das kulturelle, geistige und politische Leben dieser Stadt prägt er seither mit seiner Forschung und Lehre wie mit seinem sozialen und politischen Engagement mit.
1972 erscheint die Monografie „Existieren, Wahrsein und Verstehen“, in der Marten seine unorthodoxe Auseinandersetzung mit der analytischen Sprachphilosophie und Ontologie darlegt. Was ihn von da an geistig antreibt, ist jedoch von anderer Art: Ab Mitte der 1970er Jahre entwickelt der Wissenschaftler eine Philosophie des Humanum und der Lebenskunst, die er in vielen Arbeiten, unter anderem in „Der menschliche Mensch“ (1988) und in „Lebenskunst“ (1993) präsentiert: Lebenskunst ist die Kunst der Lebensteilung. Menschen, die nicht alles wissen und können, geben einander lebensbefähigenden Halt und gebieten einander Einhalt. Ihr Leben aber erfährt Halt und Einhalt durch den Tod. Dies ist ein positiver Begriff von Endlichkeit.
Eine Dramatisierung anderer Art erfährt Endlichkeit, wie Marten zeigt, in religiöser Poesie. Deren Grundsatz lautet: Der Mensch ist kein Gott. Sie verspricht gleichermaßen, von einer bedrängenden Endlichkeit zu erlösen und eine haltgebende zu verleihen. Solche Poesie ist eine im doppelten Sinn: Sie poetisiert Unmögliches und macht zugleich verschwinden, dass es Poesie ist. In seinen jüngsten Publikationen, etwa „Die Möglichkeit des Unmöglichen. Zur Poesie in Philosophie und Religion“ (2005), „Radikalität des Geistes: Heidegger – Paulus – Proust“ (2012) oder „Endlichkeit. Zum Drama von Leben und Tod“ (2013), erweitert Marten den Gedanken der doppelten Poesie insbesondere auf Fragen der Religion, aber auch der Politik und der Ökonomie.
Martens Brillanz als Lehrer und seinen Scharfsinn in der Diskussion konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer seines Kolloquiums erleben, wenn sie Woche für Woche – genauestens vorbereitet, um ihn zu widerlegen – erfahren mussten, dass sie zu kurz gesprungen waren, aber mit Einsichten und Fähigkeiten heimkehrten, die sie anders niemals gewonnen hätten.
Die Druckversion der Pressemitteilung (pdf) finden Sie hier.