Naturstoffe, Männerbünde, Transportproteine
Freiburg, 21.11.2013
Erfolg für drei Freiburger Anträge im Juniorprofessoren-Programm des Landes Baden-Württemberg: Die Juniorprofessorin Dr. Jennifer Andexer sowie die Juniorprofessoren Dr. Tim Epkenhans und Dr. Winfried Römer erhalten in den kommenden drei Jahren insgesamt 417.897 Euro für ihre Projekte. Davon kommen 356.452 Euro vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, die Universität Freiburg steuert 61.445 Euro bei. Das Programm unterstützt Forschungsprojekte von Juniorprofessoren an Universitäten, Kunst- und Musikhochschulen sowie Pädagogischen Hochschulen des Landes. Bis zu 150.000 Euro können je Antrag bewilligt werden, wobei die Hochschulen einen Eigenbeitrag von mindestens 15 Prozent leisten. Die Förderdauer ist auf drei Jahre befristet.
Jennifer Andexer, Pharmazeutische und Medizinische Chemie: „Struktur und Funktion von Chorismatasen“
Pflanzen, Pilze und Bakterien nutzen die chemische Verbindung Chorismat, um andere Verbindungen wie aromatische Aminosäuren oder Bausteine für komplexe Naturstoffe zu synthetisieren. Viele dieser Naturstoffe werden als Pharmazeutika oder Vorstufen für Medikamente verwendet. Da Chorismat und alle damit verknüpften Reaktionen nicht in Säugetieren vorkommen, sind die beteiligten Enzyme interessant als Angriffspunkte für neue Wirkstoffe. Die Kenntnis der Struktur und des Mechanismus eines Enzyms ist zum einen die Voraussetzung für das so genannte rationale Design – hierbei wird ein Enzym verändert, damit es beispielsweise andere Substrate umsetzt. Durch den Einsatz eines solchen veränderten Enzyms können im Anschluss modifizierte Naturstoffe mit anderen Charakteristika, etwa mit weniger Nebenwirkungen, gewonnen werden. Zum anderen vereinfacht das Verständnis der Struktur und Funktionsweise eines Enzyms die Entwicklung von Hemmstoffen, die zum Beispiel Anwendung als Pharmazeutika finden.
In früheren Arbeiten hat Jennifer Andexer in Bakterien eine neue Familie von Enzymen, die Chorismat verwenden, entdeckt: Die so genannten Chorismatasen spalten Chorismat mit Hilfe von Wasser und stellen somit Bausteine für Naturstoffe zur Verfügung. Da unterschiedliche Bausteine erzeugt werden, gibt es offenbar verschiedene Arten dieser Enzyme. Deren Aminosäuresequenzen sind aber sehr ähnlich. Daher ist bislang unklar, warum aus dem gleichen Ausgangsmaterial, dem Chorismat, verschiedene Produkte synthetisiert werden und wie das Enzym die Reaktion katalysiert. Andexers Forschungsgruppe will den Mechanismus erforschen, der dieser Chorismatase-Reaktion zugrunde liegt, und den Unterschieden zwischen den Chorismatase-Typen auf die Spur kommen.
Tim Epkenhans, Orientalisches Seminar: „Men of Disorder"
Aus der modernen sozialwissenschaftlichen Perspektive wird Gender als ein Ordnungssystem der sozialen Praktiken verstanden, das konstant auf den Körper verweist. Innerhalb der Analyse dieses Ordnungssystems ist die Frage nach dem Verständnis des Begriffs „Maskulinität“ zentral. Tim Epkenhans zufolge darf es dabei nicht darum gehen zu ermitteln, was „wirklich männlich“ ist. Vielmehr gilt es zu erforschen, welche Bilder von Maskulinität in spezifischen historischen Kontexten vermittelt werden. Ausgehend von der Annahme, dass diese Bilder sich in bestimmten Institutionen und den in ihnen vermittelten Wert- und Normvorstellungen ablesen lassen, widmet sich das Projekt „Men of Disorder“ Netzwerken von Männerbünden in Iran und Tadschikistan im 20. Jahrhundert.
Die im Projekt beleuchteten Netzwerke kontrollierten im städtischen Kontext Strukturen organisierter Kriminalität, unterhielten jedoch gleichzeitig enge Kontakte zu politischen und religiösen Eliten. Diese männerbündlerischen Zusammenschlüsse stellten ein parallel zur staatlichen Norm definiertes Ordnungssystem dar, deren Protagonisten jedoch nicht nur das System in Unordnung versetzten, sondern selbst aus der Unordnung erwuchsen – vornehmlich in Phasen, in denen der Zentralstaat Schwäche zeigte. Die Protagonisten erfüllten vor allem in Krisenzeiten wie Revolten, Revolutionen oder Bürgerkriegen wichtige Funktionen, insbesondere, um in den Städten jene Menschen zu mobilisieren, denen der Zugang zu wichtigen gesellschaftlichen Positionen verwehrt war. In diesem Zusammenhang spielen vielschichtige Konzeptionen von Maskulinität eine Rolle, da sie Normüberschreitungen und Gewalt gesellschaftlich billigen und damit das staatliche Gewaltmonopol in Frage stellen. Epkenhans will diese Konzeptionen ermitteln und mit bestimmten Vergleichsgrößen im globalen Zusammenhang untersuchen.
Winfried Römer, Fakultät für Biologie und Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies: „Lectin-based anti-cancer drug delivery across the blood-brain barrier”
Erkrankungen des Gehirns wie Hirntumore, Alzheimer oder Depressionen sind weltweit ein immer größer werdendes Problem. Mehr als 26 Millionen Menschen leiden etwa an Alzheimer. Vielversprechende Therapieversuche scheitern oft daran, dass Medikamente nicht dort ankommen, wo sie gebraucht werden: im Gehirn der Patientinnen und Patienten. Grund dafür ist die Blut-Hirn-Schranke, eine undurchlässige Zellschicht. Sie kleidet die Blutgefäße aus schirmt die empfindlichen Nervenzellen vor im Blut zirkulierenden Viren, Bakterien und sonstigen Schadstoffen ab. Allerdings sperrt sie auch 98 Prozent aller potenziellen Medikamente aus. Weil der freie Austausch von Molekülen, zum Beispiel auch von Nährstoffen, verhindert wird, besitzen die Zellen der Blut-Hirn-Schranke Transportproteine. Diese Rezeptoren angeln eine ganze Reihe vom Gehirn benötigter Substanzen aktiv aus dem Blut und reichen sie ins Innere des Gehirns weiter.
Diesen Mechanismus möchte Winfried Römers Arbeitsgruppe nutzen, um Medikamente ins Gehirn zu schleusen. Moleküle, die die Rezeptoren erkennen, haben die Medikamente sozusagen im Gepäck dabei. Bei den Medikamenten handelt es sich um größere Moleküle wie Proteine, Peptide oder Nukleinsäuren. Nach Bindung an die Rezeptoren stülpt sich die Zellmembran ein und schließt sich zu einer Blase, Vesikel genannt. Dieses Vesikel wandert durch die Zelle, verschmilzt mit der gegenüberliegenden Membran und gibt so die gesamte Ladung einschließlich der Medikamente ins Gehirn ab. Dort werden die Medikamente von dem Molekül, das den Transport durch die Blut-Hirn-Schranke über den Rezeptor ermöglicht hat, abgespalten – es kann dann seine Wirkung am richtigen Ort entfalten. Römers Team will herausfinden, ob diese rezeptorvermittelte Aufnahme den Weg zu neuen Therapien weisen kann.
Kontakt:
Juniorprofessorin Dr. Jennifer Andexer
Pharmazeutische und Medizinische Chemie
Tel.: 0761/203-67398
E-Mail: jennifer.andexer@pharmazie.uni-freiburg.de
Juniorprofessor Dr. Tim Epkenhans
Orientalisches Seminar
Tel.: 0761/203-3149
E-Mail: tim.epkenhans@orient.uni-freiburg.de
Juniorprofessor Dr. Winfried Römer
Fakultät für Biologie / BIOSS Centre for Biological Signalling Studies
Tel.: 0761/203-67500
E-Mail: winfried.roemer@bioss.uni-freiburg.de
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