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Unangepasst, wahnsinnig, missverstanden

Freiburger Literaturwissenschaftlerin untersucht in ihrer Doktorarbeit den Menschenfeind in der Literatur der Aufklärung

Freiburg, 08.04.2013

Unangepasst, wahnsinnig, missverstanden

© Rombach Verlag KG

Sie hassen ihre Mitmenschen, meiden Gesellschaft und gelten oft als Verrückte: Misanthropen, so genannte Menschenfeinde, finden sich seit der Antike in den literarischen Werken aller Epochen. Die Wissenschaftlerin Friederike Wursthorn, die an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Wintersemester 2012/2013 in Neuerer deutscher Literaturgeschichte promoviert wurde, hat in ihrer Dissertation literarische Darstellungen des Menschenfeindes in der Epoche der Aufklärung untersucht. Sie analysierte Werke aus dem 18. Jahrhundert und verglich sie mit Gestaltungen von Misanthropen aus anderen Zeitaltern. Günter Schnitzler, Professor für Neuere Deutsche Literatur am Deutschen Seminar, betreute die Arbeit als Erstgutachter.

Die Literatur der Aufklärung betrachtet Menschenfeinde stets als unangepasst. „Sie führen eine gestörte Beziehung zu ihren Mitmenschen, zu ihrer Zeit und oft auch zu sich selbst“, sagt Wursthorn. Einige Autoren und Autorinnen, wie Jean-François Marmontel und Sophie von La Roche, beurteilen dies als negativ: Sie lehnen Misanthropie ab und kritisieren den Extremismus des Individuums. Im Gegensatz dazu verwenden andere, wie beispielsweise Jonathan Swift, Johann Karl Wezel oder Jean Paul, Misanthropengestalten, um gegen die optimistische Strömung der Zeit anzuschreiben. Sie wollen eine Aufklärung der Aufklärung herbeiführen: Indem sich ihre Charaktere abweichend verhalten, erschüttern sie das als normal betrachtete Weltbild einer optimistischen Aufklärung und stellen sie infrage.

Bis ins 20. Jahrhundert galten gerade Jonathan Swift oder Johann Karl Wezel selbst als Menschenfeinde oder sogar Wahnsinnige. Friederike Wursthorn zeigt in ihrer Arbeit, dass die Schriftsteller mit ihren menschenhassenden Gestalten jedoch nicht das Weltbild der Aufklärung zerstören, sondern seine Grenzen auf diese Weise erweitern wollen. „Deshalb sind ihre Misanthropen auch Handelnde“, sagt Wursthorn. Sie reisen durch die Welt, bringen deren vermeintliche Ordnung durcheinander und wollen etwas verändern. Doch am Ende misslingt ihr Vorhaben. Der Grund dafür ist nicht, dass ihr angebliches Fehlverhalten geheilt wird und sie sich als gebesserte Menschen in eine Gesellschaft eingliedern. „Sie scheitern, weil sie beharrlich, unverbesserlich und zum Teil bis in den Tod hinein an Idealen in einer Welt festhalten, die aufklärerisch, aber nicht aufgeklärt ist.“ Die Dissertation demonstriert somit, wie facettenreich die Epoche der Aufklärung ist, obwohl ihr lange Zeit Einseitigkeit nachgesagt wurde.

 
Kontakt:
Friederike Wursthorn
E-Mail: wursthorn@rombach.de

Professur Prof. Dr. Günter Schnitzler
Abteilung Neuere Deutsche Literatur
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-3278 (Sekretariat)
E-Mail: guenter.schnitzler@germanistik.uni-freiburg.de

 
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