Ein Protein bei der Arbeit
Freiburg, 29.04.2010
Durch die Spektren der Azido-Sonde (blaue Gruppe) können die Veränderungen innerhalb des Rezeptors bei den einzelnen Aktivierungsschritten im Detail erforscht werden.
Proteine sind die molekularen Maschinen in unseren Zellen. Um ihre Funktionsweise verstehen zu können, muss man die bei ihrer Arbeit ablaufenden Veränderungen auf einem molekularen Niveau verfolgen können. Dies ist möglich mithilfe von Infrarotspektroskopie, speziell der so genannten Fourier-Transform Infrarot (FTIR) Spektroskopie, die die Schwingungen der einzelnen chemischen Bindungen in einem Protein und deren Veränderungen während der Arbeit des Proteins messen kann. Ein FTIR-Spektrum eines typischen Proteins setzt sich jedoch aus mehreren tausend Schwingungen zusammen, die sich gegenseitig überlagern, so dass es mühsam und oft unmöglich ist, die interessierenden Schwingungsbanden zu isolieren.
Den Biophysikern PD Dr. Reiner Vogel
und Dr. Ekaterina Zaitseva vom
Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung der Universität Freiburg ist
es in einer engen Zusammenarbeit mit Shixin
Ye und Thomas P. Sakmar in New
York sowie Xavier Deupi in Barcelona
gelungen, eine molekulare Sonde in ein Protein einzubauen und deren
Veränderungen während der Arbeit des Proteins im Detail spektroskopisch zu
verfolgen. Während die Proteine unserer Zellen normalerweise aus einem eng
begrenzten Repertoire von Bausteinen, den Aminosäuren, zusammengesetzt werden,
wurden die Zellen hier veranlasst, einen eingeschleusten künstlichen Baustein
gezielt einzubauen. Dieser künstliche Baustein, p-azido-Phenylalanin,
wurde für die spektroskopischen Methoden maßgeschneidert und trägt eine so genannte
Azido-Gruppe aus drei Stickstoffatomen, die in einem isolierten spektralen
Bereich absorbiert und nicht von anderen Schwingungen überlagert ist. Diese Technik
wurde auf den Lichtrezeptor Rhodopsin angewandt, ein Membran-Protein in den für
das Sehen zuständigen Sinneszellen der Netzhaut.
Absorbiert das Rhodopsin ein Photon, so durchläuft es eine Reihe von
Zwischenstufen, so genannte Intermediaten, in denen sich die durch die
Lichtreaktion induzierten Veränderung innerhalb des Rezeptors sukzessive
ausbreiten, bis er schließlich voll aktiviert ist und wiederum nachgeschaltete
Elemente der Signalübertragungskette aktivieren kann. Mithilfe der neu
entwickelten Technik konnten die Freiburger Wissenschaftler und ihre Kollegen
nun diese strukturellen Veränderungen innerhalb der einzelnen Intermediate
genauer untersuchen. In ihrem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Nature“ (Nature 464: 1386 – 1389) zeigen
sie unter anderem, dass Bewegungen von kompletten Strukturelementen schon
erheblich früher nach der Lichtabsorption auftreten als bisher angenommen
wurde. Die beteiligten Biophysiker sind zuversichtlich, dass die an Rhodopsin
gewonnenen Erkenntnisse auch unser Verständnis der Aktivierung anderer
Rezeptoren prägen werden. Durch ihre Sensitivität für elektrostatische
Veränderung wird durch diese neue Technik das Methoden-Repertoire der Biophysik
um eine wichtige Komponente erweitert.
Kontakt:
PD Dr. Reiner Vogel
Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung
Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-5391
Fax: 0761/203-5390
E-Mail:
reiner.vogel@biophysik.uni-freiburg.de