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Ostern

Auferstanden aus...: Literaturwissenschaftler und Historiker Michael Fischer analysiert Oster-Utopien in Liedern, Hymnen und Popsongs

Freiburg, 15.03.2016

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Foto: ehaurylik - Fotolia

Osterlieder gibt es schon sehr lange: Der älteste deutschsprachige Gesang „Christ ist erstanden“ stammt aus dem 12. Jahrhundert und erklingt noch heute in den christlichen Gottesdiensten. „Lieder und Gedichte zu Ostern beschreiben jedoch nicht nur die religiöse Vorstellung von der Auferstehung Christi, sondern eröffnen auch Raum für Utopien“, erklärt Dr. Dr. Michael Fischer, der Geschäftsführende Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik (ZPKM), einer Forschungseinrichtung der Universität Freiburg: „Das ZPKM möchte diesen kulturgeschichtlichen Spuren religiöser Symbolsprache in allen Arten von Musik nachgehen, vom Kirchenlied über die politische Hymne bis zum Popsong der Gegenwart“.

Schon in Liedern des 16. Jahrhunderts werde die Auferstehung mit Naturbildern verknüpft und damit ein Neuanfang der Schöpfung symbolisiert. Mehr als zweihundert Jahre später glaubte der Romantiker Novalis, dass Ostern ein universales „Weltverjüngungsfest“ sei und jeder „nun leicht und hehr in seine Zukunft schaun“ könne. Im 20. Jahrhundert werden die Utopien politischer. Auch in der Theologie rücke die revolutionäre und gesellschaftssprengende Kraft der Auferstehungsmetaphorik in den Vordergrund, erklärt Fischer. Rudolf Otto Wiemer (1905–1998) dichtete in seinem „Entwurf für ein Osterlied“: „Die Erde ist schön, und es lebt sich leicht im Tal der Hoffnung. […] Die Zeitung weiß keine Zeile vom Turmbau. Das Messer findet den Mörder nicht.“ Zugleich werden Utopien besungen, die an Aktualität nichts eingebüßt haben, so das Ergebnis des Literaturwissenschaftlers und Historikers: „Alle Wege sind offen. Im Atlas fehlen die Grenzen“ und „Die Hand des Armen ist nie ohne Brot. Geschosse werden im Flug gestoppt“, heißt es bei Wiemer. Politische Töne nimmt ebenso Kurt Marti (*1921) auf, wenn er die Auferstehung als den „Aufstand Gottes gegen die Herren“ deutet. Scharfzüngig formuliert der Schweizer: „Das könnte manchen Herren so passen,  wenn sie in Ewigkeit Herren blieben im teuren Privatgrab und ihre Knechte Knechte in billigen Reihengräbern.“

Im Zusammenhang mit Ostern macht Fischer auch auf die Hymne „Auferstanden aus Ruinen“ der früheren Deutschen Demokratischen Republik aufmerksam: „Es ist vollkommen klar, dass das Gedicht nach dem Ende des Krieges und der Nazi-Herrschaft sozialistische Ideale entfalten sollte und keine christlichen. Aber dennoch steht die Hymne mit dem utopischen Gehalt des Osterfestes in Verbindung.“ Hier ist vor allem die apokalyptische Tradition zu nennen, also die Vorstellung, dass die Welt in der Zukunft vollendet werde. Diese Idee werde in die Utopie einer gerechten und friedfertigen Gesellschaft im Diesseits überführt, wobei die Ideale dieser politische gedachten „Auferstehung“ wie Glück, Frieden und Brüderlichkeit gleichermaßen der christlichen wie der sozialistischen Tradition entstammten.

Selbst aktuelle Popsongs stehen im Kontext der Auferstehungsmetaphorik, sagt der Freiburger Forscher. Das beste Beispiel dafür sei Conchita Wursts Lied „Rise Like a Phoenix“, eine Hymne für Toleranz und Freiheit und gegen Homophobie: Der mythische Vogel ist seit der Antike ein Symbol für Unsterblichkeit und Auferstehung.