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Psychische Pandemie-Folgen: Studie analysiert Anrufe bei Sorgentelefonen in 19 Ländern

Anzahl der Anrufe stieg um bis zu 35 Prozent

Freiburg, 18.11.2021

Die Corona-Pandemie bringt weltweit vielfältige psychische Folgen mit sich. Welche allgemeinen Tendenzen es dabei in Bevölkerungen gibt und welche auch länderübergreifend sind, ist indes noch schwer zu quantifizieren. Um solche Tendenzen besser beleuchten zu können, hat ein Forschungsteam bestehend aus Valentin Klotzbücher vom Institut für Wirtschaftswissenschaften und Dr. Stephanie Reich von der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg sowie Prof. Dr. Marius Brülhart und Prof. Dr. Rafael Lalive von der Universität Lausanne nun acht Millionen Anrufe bei Sorgentelefonen in 19 Ländern analysiert. Dabei fanden sie unter anderem heraus, dass bisweilen 35 Prozent mehr Anrufe eingingen als zu vorpandemischen Zeiten und der Höhepunkt sechs Wochen nach dem Beginn der Pandemie erreicht war. Anlässe waren zumeist Angst, Einsamkeit und später Sorgen um die körperliche Gesundheit. Zugleich stellten die Wissenschaftler*innen fest, dass die sonst vorherrschenden Anlässe, etwa Beziehungs- oder wirtschaftliche Probleme, oder Themen wie Gewalt oder Suizid nicht verstärkt vorkamen, sondern von akuten Pandemie-Sorgen verdrängt wurden. Anrufe mit Bezug zu Suizidalität nahmen indes zu, als restriktive politische Maßnahmen verstärkt wurden, und sie nahmen ab, als finanzielle Unterstützungsleistungen ausgebaut wurden. Die Forschenden veröffentlichten ihre Studienergebnisse in der Fachzeitschrift Nature.

„Psychische Aspekte werden in politischen Entscheidungsprozessen oftmals ausgeklammert“

„Die allgemeine mentale Verfassung einer Bevölkerung zu erheben oder gar länderübergreifende Tendenzen, ist sehr schwierig“, sagt Valentin Klotzbücher. „Nicht zuletzt deshalb werden psychische Aspekte in politischen Entscheidungsprozessen oftmals ausgeklammert – mit potenziell gravierenden Folgen. Mit unserer Studie wollten wir einen Beitrag leisten, um dem entgegenzuwirken.“ Die Wissenschaftlerinnen untersuchten Daten von 23 Sorgentelefonen in 14 europäischen Ländern, den USA, China, Hong Kong, Israel und im Libanon.

Die vorherrschenden Anlässe für Telefonsorgenanrufe waren vor der Pandemie Beziehungsprobleme (37 Prozent), Einsamkeit (20 Prozent) und unterschiedliche Ängste (13 Prozent). „Mit der Pandemie stiegen die Anrufzahlen zu Ängsten um 2,4 Prozentpunkte und Einsamkeit um 1,5 Prozentpunkte, zu Beziehungsproblemen sanken sie indes um 2,5 Prozentpunkte“, erläutert Stephanie Reich. Ansonsten häufig auftauchende Themen sanken ebenfalls, wie etwa wirtschaftliche Lage (-0,6 Prozentpunkte), Abhängigkeit (-0,3 Prozentpunkte) oder Gewalt (-0,3 Prozentpunkte). Allerdings nahmen bei den weiblichen Anrufenden unter 30 Jahren die Anrufe zum Thema Gewalt um 0,9 Prozent zu.

Eine Analyse von Anrufen zum Thema Suizidalität in mehreren US-Bundesstaaten sowie in Deutschland und Frankreich zeigt, dass tendenziell höhere Anruferzahlen verzeichnet wurden, wenn striktere Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung implementiert wurden, während großzügigere staatliche Unterstützung von Privatpersonen mit einem geringeren Anrufvolumen einhergingen.

 

Originalveröffentlichung:
Brülhart, M., Klotzbücher, V., Lalive, R. et al. Mental health concerns during the COVID-19 pandemic as revealed by helpline calls. Nature (2021). https://doi.org/10.1038/s41586-021-04099-6

 

Kontakt:
Valentin Klotzbücher
Wilfried-Guth-Stiftungsprofessur für Ordnungs- und Wettbewerbspolitik Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-67650
E-Mail: valentin.klotzbuecher@vwl.uni-freiburg.de

Bastian Strauch
Hochschul- und Wissenschaftskommunikation
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-4301
E-Mail: bastian.strauch@pr.uni-freiburg.de